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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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angewendet hieß das, dass eine Wiederholung des ersten Abends fällig war, an dem dieses ganze Desaster begonnen hatte: Ich fuhr Richtung Schinderbrücke und wusste meinen Schlafsack im Bus. Allerdings machte ich zunächst in der Nähe des Hauptquartiers der Johanniter Halt. Hier ist eine Box für Altkleider aufgestellt. Vieles wird dort besonders gut gewaschen und gebügelt abgelegt. Bald hatte ich mir eine brauchbare Jeans und ein Sweatshirt geangelt. Grünweiß mit dem englischen Jagdmotiv auffliegender Enten vorne auf der Brust. Das trägt man schon lange nicht mehr, war aber egal, ich hatte schon arschiger ausgesehen. Ich klemmte mir das neu erworbene Kleiderbündel unter den Arm, ging zum Bus zurück und fuhr zur Schinderbrücke.
    Es wurde Abend, als ich mit meinem Schlafsack und meinen Kleidern den Flauchersteg überquerte. Ich stieg zur Isar hinunter und setzte mich auf einen Stein. Weiter hinten saß Onkel Tom auf einem angeschwemmten Baumstamm. Er winkte mir zu. Er schien stocknüchtern, was ein deutlicher Fortschritt war. Zunächst wollte ich kurz innehalten, einfach mal nichts tun und nichts denken. Da kam eine Familie, Vati,Mutti und drei Kinder mit großer Strandausrüstung. Vati hatte wahrscheinlich länger als geplant gearbeitet, aber die Kinder und Mutti wollten trotzdem noch, wenigstens kurz, an die Isar zum Baden. So ähnlich musste es gewesen sein, jedenfalls waren sie nicht wirklich glücklich, sie taten alle nur so. Mutti wollte ein gutes Beispiel geben, zog ihr beiges Leinenkleid über den Kopf, den einteiligen Badeanzug hatte sie bereits an, und ging zum Ufer. Ihre drei Kinder hatten sich auf einer Wolldecke niedergelassen. Von dort aus guckten sie immer wieder zu mir hinüber, wahrscheinlich um herauszubekommen, wie ich das finde. Mutti spielte ihre Rolle perfekt. Langsam ging sie ins Wasser, drehte sich aber immer wieder um und winkte. Man sah nicht nur, dass das Wasser arschkalt war, ich wusste das. Die Isar ist dauernd arschkalt, sie kommt schließlich aus dem Karwendelgebirge und wird auf ihrem Weg nach München nur unwesentlich wärmer. Alle Dellen an Muttis Oberschenkeln wurden glatt gezogen, an den Armen bekam sie Gänsehaut. So quälte sie sich hinein. Als sie drin war, schwamm sie mit so kurzen, hektischen Bewegungen im Kreis, als sei sie in ein Eiswürfelbassin geraten.
    – Ist das schön! Kinder, ist das schön hier drinnen, rief sie unentwegt.
    Wieder guckten die Kinder zu mir hinüber. Ich schüttelte den Kopf.
    – Kommt doch rein.
    Aber viele Kinder sind nicht so doof, wie manche Erwachsene denken, und fallen nicht auf jeden Scheiß rein. Ich packte mein Bündel und ging.
    In mir rumorte ein Schweinehunger. Richtung Tierparkbrücke war eine größere Gesellschaft auf Bierbänken beisammen. Auf drei Grills wurden Würste und Fleischstücke gebraten. Hier war ich richtig.
    – Grüß Gott, sagte ich und klopfte dazu auf den Biertisch.
    – Guten Abend, Herr Pater.
    Man bot mir einen Platz an. Ich stellte mich als den Isarmönch vor, berufen vom Erzbistum München und Freising, um an den prekären Sommerabenden nach dem Rechten zu sehen und gegebenenfalls Beistand zu leisten. Das leuchtete ein. Einer ergänzte, es gebe ja auch Militärpfarrer. Bald hatte ich einen schönen Teller mit gemischtem Gegrillten und Kartoffelsalat vor mir. Auch ein Fläschchen Bier nahm ich dankend an. Wenn man keine formalen Schnitzer macht, ist mit dem Münchner gut umgehen. Man fordert besser nichts, sonst wird er grantig, stattdessen überlässt man ihm die Initiative, nimmt aber alles Angebotene dankend an und genießt. Als es dunkel geworden war, verabschiedete ich mich und verschwand im Gebüsch. Dort rollte ich mich in meinen Schlafsack und schlief sofort ein.

44
    Am Morgen tat ich es Mutti gleich und warf mich in die Isar. Wenn man nicht dauernd Hach, ist das schön! dazu rufen musste, sondern auf Walross machen konnte, war Hygiene und Kreislauf gleichermaßen damit gedient. Dann schlüpfte ich zum ersten Mal in meinem Leben in eine Jeans mit Bügelfalte und streifte das Entenhemd über. Beim Fleischpflanzerlmann holte ich mir wieder einen Becher Kaffee. Er erinnerte sich an mich und wollte mir ein Hörnchen dazu reichen. Das aber lehnte ich ab und nahm lieber gleich eine Semmel mit Fleischklops. Man müpfelt zwar bei derart exzessivem Fleischgenuss, aber für einen Mann auf Kriegspfad ist das durchaus angängig. Dann kutschierte ich nach Grünwald hoch. Diesmal fuhr ich direkt in der
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