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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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Und jetzt?
    – Suche ich die Einträge im Grundbuch zusammen. Wasmir fehlt, ist ein Protokoll, in dem wir die Grundstücksgrenze genau festgelegt haben.
    – Und dann?
    – Wird eben prozessiert.
    – Mann o Maus Hinnerk! Das kann Jahre dauern.
    Hinnerk nickte und schaute traurig. Sein strubbeliges blondes Haar war klitschnass. Sein olivgrünes T-Shirt mit den dunklen Flecken war wie ein Schaubild der menschlichen Schweißdrüsendichte am Oberkörper.
    – Ich koch dann mal, sagte Hinnerk und verschwand im Haus.
    Drinnen werkelte er vor sich hin. Er machte Kartoffelsalat mit Gurken. Dazu würde es Bratwürste geben. Über dem Feuer gegrillt. Drei Weißbier hatte ich schon intus, und auch sonst war es etwas kühler geworden. Ein sanfter Wind zog über die Hügel. Von meiner Liege aus hatte ich den Bach im Blick, aber seitdem mich Hinnerk darauf hingewiesen hatte, kam mir dieser Maschendrahtzaun immer absurder vor. Widersinnig. Eine Schrunde mitten in dieser schönen Landschaft. Ein Denkmal menschlicher Bosheit und Besitzgier.
    Ich wuchtete mich hoch und ging zum Schuppen. Werkzeug und Gartengeräte waren dort aufbewahrt. Das Teil, das ich suchte, lag an die Werkbank gelehnt, der gut ein Meter lange Vorschlaghammer. Ich schulterte ihn und ging zum Bach hinunter. Kricket und Krocket sind beides englische Spiele und für Unkundige nicht leicht auseinander zu halten. Kricket ist, bei allem Respekt, so etwas wie Baseball, während Krocket gern im Garten gespielt wird. Man befördert mit einem Schlaghammer den Ball durch Tore. So ähnlich,leicht und anmutig, haute ich Pfosten für Pfosten des Zauns weg. Schließlich rollte ich das Drahtgeflecht zusammen und zog es vor den Schuppen des Nachbarn. Ich schellte. Herr Plattner öffnete. Plattner war im Feinripp und trug eine der lustig superbunt gefleckten Boxershorts, in denen dicke Männer so gerne Sport treiben.
    – Ich soll grüßen vom Herrn Rab, sagte ich. Er braucht den Zaun nicht mehr und hat mich gebeten, ihn zurückzugeben.
    Plattner glotzte mich entgeistert an. Ich machte meine Glöcknernummer. Ein wenig bucklig, in den Knien wippend stand ich da, ließ die Armen tief nach unten hängen und den Vorschlaghammer hin und her pendeln. Plattner drückte die Tür zu. Ich hörte Kette und Riegel. Dann ging ich wieder hinüber zu meiner Liege. Hinnerk kam mit der Schüssel voll Kartoffelsalat aus dem Haus.
    – Was für ein Blick. Herrlich und ganz unverstellt.
    Hinnerk begriff und küsste mich auf die feuchte Stirn.

2
    Sonntagnachmittag bestieg ich meinen alten Mercedes-Bus, um wieder nach Hause zu fahren. Von der Autobahn aus sah ich, dass schwefelgelbe Wolken München umkreisten. Zum Zentrum vorzustoßen, war ihnen noch nicht gelungen. Das konnte dauern.
    Als Münchner behilft man sich bei solchen Wetterlagen.Zwangsläufig. Derartige Druckverhältnisse sorgen dafür, dass man schon nüchtern einen so dummen Schädel hat, als sei man besoffen. Deshalb sucht man sich einen schattigen Platz in einem der Biergärten, die bald so überfüllt sind, dass an der Schänke die Maßkrüge ausgehen. Man bemüht sich mit anderen zusammen, die Lücke zwischen gefühlter und tatsächlicher Betrunkenheit zu schließen und den Rausch auf eine solide Grundlage zu stellen.
    An der Ausfahrt Schenkendorfstraße war Schluss mit der angenehmen Luftzufuhr von draußen. Spätestens vor der schneckenartig gewundenen Auffahrt auf den Ring musste man die Geschwindigkeit drosseln, sonst landete man im Straßengraben wie die übermüdeten Langstreckentürken, die bei Freimann versäumt hatten, den Ziegelstein vom Gaspedal zu nehmen. In der Stadt waren die Straßen leer. Sogar der Ring. Ferienzeit, viele hatten sich in den Süden aufgemacht. Außerdem war es für draußen zu heiß. Die Sonne hatte den ganzen Tag auf den Steinhaufen draufgeknallt, der abends, wenn die Temperatur eigentlich erträglich wurde, wie ein Kachelofen Hitze abgab. Im Biedersteiner Tunnel umfächelte mich angenehme Kühle. Ein Versprechen auf mehr, und so nahm ich die nächste Ausfahrt zum Biergarten Hirschau. Neben einem BMW-Cabrio war sogar für meinem Bus noch Platz.
    So wie hier am Rande des Englischen Gartens, wo man den Eisbach plätschern hören könnte, wenn nicht das dauernde Plopp-Plopp des nahen Tennisplatzes dazwischen käme, hat man sich die Umgebung vorzustellen, die sich Aloisius, der singende Münchner im Himmel, gewählt hat.Da ist viel aus Holz: die Bäume, die Tische und Bänke, die Fässer und die Stäbe,
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