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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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plättete alles wie mit einem heißen Bügeleisen. Jede Körperfalte schweißfeucht, mein Kopf eine Matschbirne. Ich stemmte mich aus meiner Liege hoch und ging zum Kühlschrank. Ein alter Privileg mit Wackelbein. Schwankte hin und her, wenn man ihn öffnete. Ich holte eine Packung Eistee mit Pfirsichgeschmack heraus und drückte mir den kalten 2,5 Liter-Quader eine Weile lang an die feuchte Brust. Dann erst goss ich mir das Glas voll. Wie immer lag noch ein frisches Päckchen Tabak unter dem Gefrierfach. Draußen wurde die oberste Schicht zu schnell trocken und dürr. Schon meine Mutter hatte ihren Kaffee im Kühlschrank aufbewahrt. Ich drehte mir zwei Zigaretten, steckte die eine sofort an und klemmte die andere hinter das Ohr. Ich gab der Kühlschranktür einen Tritt, der alte Kerl schwankte und begann sofort brummend zu rödeln, um den Kälteverlust auszugleichen. Das bereitete ihm Mühe und dauerte. Wenn er allerdings die Temperatur hinunter gedrückt hatte, machte er zum Abschluss hechelnde Geräusche wie ein Bär, der es endlich geschafft hat, sich einen runterzuholen.
    Als ich wieder zu meiner Liege zurückging, lief mir Rübl über den Weg.
    – Hallo Herr Rübl, ich bin’s: Gossec. Wilhelm Gossec.
    Ich sagte immer meinen Namen zu ihm. Vielleicht hatte sein löchriges Hirn noch einen Rest Aufnahmefähigkeit. Sollte ich mir im Haus je eine größere Wohnung leistenkönnen, hätte ich dadurch einen klaren Vorteil gegenüber anderen Bewerbern. Rübl nickte grinsend.
    – Alles klar, oder?
    Er hielt eine fast ausgerauchte Zigarette zwischen Daumen- und Zeigefingernagel wie in eine Pinzette eingeklemmt, um noch einen letzten, heißen Zug nehmen zu können. Dann schnippte er den Rest auf den Teer. Obwohl er schon lange außer Dienst war, zog Rübl täglich eine weite, blaue Handwerkerhose an, die er mit einem eng geschnallten braunen Gürtel am Leib behielt. Er trug ein weißes Feinripp-Unterhemd, ein scharfer Kontrast zu seinen gebräunten Armen und Schultern. Selbst ohne Hemd hätte es ausgesehen, als trüge er eines: weiße Haut in scharf konturierter Unterhemdform. In seinem Gürtel steckte ein Zettel. Als ich genauer hinsah, bemerkte ich, dass mein Name darauf stand. Ich deutete auf die Nachricht.
    – Gossec, das bin ich. Ist jemand für mich da gewesen?
    Rübl schüttelte den Kopf.
    – Ein Gossec ist nicht da gewesen.
    Da war ich schon kurz davor, diesem Debilo den Zettel mit Gewalt abzunehmen. Aber Hausbesitzern gegenüber sollte man alle Geduld aufbringen, sie sitzen am längeren Hebel.
    – Ist der für mich?
    Ich deutete noch mal auf den Zettel. Erst jetzt schien sich Rübl daran zu erinnern. Er zog ihn aus dem Gürtel und faltete ihn auf. Er runzelte die Stirn und las vor.
    – Bitte melde dich doch endlich! Pia. – Keine Ahnung, nie gehört.
    – Von wem haben Sie den Zettel?
    – So ein junger Kerl mit Vespa. Kam hier reingefahren.
    Fortbewegungsmaschinen hinterließen bei Rübl immer einen bleibenden Eindruck. Mehr war nicht zu holen. Aber ich wusste nun Bescheid. Ich ging in meine Wohnung zurück. Da sah ich, was mir vorher schon hätte auffallen können, dass das rote Lämpchen meines Anrufbeantworters blinkte. Noch eine Nachricht von Pia. Allein die Tatsache, dass sie sich gemeldet hatte und dann noch zweimal, bedeutete, dass sie in einer üblen Klemme steckte. Pia Sockelmann war zweiundzwanzig Jahre alt und meine Ziehtochter, Nennnichte – was auch immer, jedenfalls war ich so eine Art Onkel für sie. Aber nur, wenn sie einen brauchte.
    Beim ersten Mal verstand ich so gut wie nichts von dem, was mir Pia mitteilen wollte. Zu sehr genuschelt und gelallt, zu viele Silben verschluckt. Letzte Sätze, wie kurz vor dem Hinüberdämmern in eine Narkose. Sie hatte sich mit irgendetwas so zugeballert, dass sie kein vernünftiges Wort mehr zustande brachte. Das Wenige, was ich herausfiltern konnte, klang schlimm. Sie wolle raus aus dieser Scheiße. Sie brauche mich jetzt, ich müsse ihr helfen. Ich wählte die Nummer, die sie durchgegeben hatte. Nichts, kein Anschluss unter dieser Nummer.
    Schlimmstenfalls war ihre Nachricht seit zwei Tagen auf meinem Anrufbeantworter. Einen Timer hatte der alte Apparat nicht. Verdammte Hacke! Musste ich nun schon wieder den Arsch für dieses ausgekochte Miststück hinhalten? Dabei war sie für mich verschollen. Zuletzt hatten wir uns vor drei Jahren gesehen. Kurz vor ihrem steilen Aufstieg in denPophimmel. Damals brauchte sie Geld, und ich borgte ihr welches. Wusste
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