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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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an denen die Steckerlfische gebraten werden. Natürlich auch die Grillkohle. Ich genoss die friedliche Stimmung und fühlte mich durch das Bier angenehm abgekühlt. Ich beließ es bei einem und ging zum Wagen zurück.
    An das Cabrio neben meinem Bus gelehnt, wartete ein ungeschlachter Kerl auf mich. Er richtete sich zu voller Größe auf, als ich mich näherte. Ich warf einen Blick auf das Nummernschild, und sofort war mir klar, dass Ungemach dräute. Fast alle Ebersberger, die nach München hineinbrettern, haben schnelle Autos. Wenn man Pech hat, so wie ich, sieht ein solcher Lackel wie der aus den Fugen geratene Sänger von Dschingis Khan aus. Groß, wuchtig, mit nach unten gezogenem Schnauzer, Lockenmatte den Hals hinunter, aber Ohren frei, deutlich zu fett, zu rotgesichtig und zu blond. Er grinste, als ich kam. Außerdem trug er eine Lederhose im Landhausstil. Sein weißes Hemd war aufgeknöpft, um die Brustwolle zu zeigen, und um den Hals hatte er ein rotes Tuch geknüpft, wie man es auch schwarzen Hunden gerne umbindet.
    – Da, schau mal her.
    Er zeigte auf einen Kratzer an seinem Cabrio, der mich so alt wie der Wagen selbst anmutete.
    – Und, was machen wir da?
    – Zahlen, sagte er.
    Er hatte seine Hände in die Hosentaschen eingehakt. Der Hirschhornknauf eines Messers schaute heraus. Wahrscheinlich zum Schneiden von Spareribs oder Grillwammerl.
    – Wie viel?
    – Mit hundert Euro wäre ich einverstanden, antwortete er.
    Ich beugte mich noch einmal über den Kratzer. Keine Frage, der war uralt. Aber mit dem Trick hatte er sicher nicht das erste Mal abkassiert. Geld versoffen und verfressen. Also nachtanken am Parkplatz bei irgendeinem unbedarften Simpel wie dem, für den er mich hielt. Um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, trat er einmal mit der Sohle seines Haferlschuhs an meinen Kotflügel.
    – Moment, sagte ich.
    Ich öffnete die Tür meines Wagens und klappte das Handschuhfach auf. Dort hielt ich für solche Zwecke eine kurze Ledergerte aufbewahrt, eine Sonderanfertigung für Graf Holbach selig, der damit seine Schäferhunde vertrimmt hatte. Ich zog ihm die Gerte über die ausgestreckte Hand. Er schrie, fluchte und hielt sich den rot aufquellenden Striemen. Ich angelte das Messer aus seiner Tasche und warf es in hohem Bogen ins Gebüsch. Dann packte ich ihn am Halstuch.
    – Hau ab und versuch das nie wieder.
    Er rannte zum Biergarten zurück.
    – Ludwig, Herrmann – Hilfe!
    Mit dreien konnte ich es nicht aufnehmen. Ich sprang in den Bus, startete und fuhr los. Als ich wieder auf den Ring fuhr, merkte ich, wie mir das Adrenalin das Blut in den Adern vorwärtspeitschte. Der Kupplungsfuß zitterte. Ich war froh, als ich endlich in die Fleischerstraße einbog und meinen Wagen im Hinterhof parken konnte. Hinter meinem Laden sind die zwei Zimmer, die ich bewohne.

3
    Warum gibt es keine Löschtaste für solche Peinsäcke und schlechte Gedanken? Schlimm genug, dass sie überhaupt herumlaufen, muss man auch noch an sie denken. Ich hoffte, wenigstens den Abend so angenehm wie die Tage zuvor bei Hinnerk ausklingen lassen zu können, und holte mir aus dem Laden eine Teakholzliege. Ich stellte sie im Hof unter dem Baum auf und legte mich flach. Diese Edelliegen wie neu waren im Moment mein Verkaufsschlager. Das Stück zu fünfzig Euro. Ich hatte die ganze Partie von einem pleite gegangenen Saunaclub im Truderinger Gewerbegebiet übernommen. Auch Fransenschirme bot man mir an. Aber die sahen beschissen aus. Erinnerten an die Frisur von Elton John. Außerdem rochen sie nach dem Fichtennadelschweiß der Sauna.
    Alles war ruhig. Bis auf Rübl, der in seiner Garage werkelte. Die grob hochgemauerte Schachtel hatte ein Wellblechdach und eine ehemals grüne Doppeltür, ebenfalls aus Blech. Das Stück war inzwischen eine echte Rarität. In so einer Garage hatte das Mädchen Rosemarie ihren Borgward abgestellt. Dort drinnen war ein ständiges Klopfen, Schaben und Dengeln. Aber Rübl durfte das, ihm gehörte das ganze Anwesen. Früher war seine Autowerkstatt im Hof untergebracht gewesen. Tunen und Lackieren waren seine Spezialität. Das ständige Inhalieren von Lösungsmitteln hatte Rübl halbdebil und vergesslich gemacht. Traurig, aber menschlich ein Gewinn: Aus dem derben Kapo war durch den Schadenein freundlicher, älterer Herr geworden, der, mit sich und der Welt zufrieden, gerne vor seinem Haus saß. Hin und wieder pfiff er Elvis-Songs. Er grüßte jeden Passanten.
    Die Abendschwüle drückte mir auf das Hirn,
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