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Sister Sox

Titel: Sister Sox
Autoren: Max Bronski
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gebracht hatte. Aber hier sah ein Haus wie das andere aus. Damit keine Diebe mit der Aussicht auf fette Beute angelockt wurden, ließ man Efeu oder wilden Wein wuchern, um sich dahinter zu verstecken, oder zog Schutzhecken und Mauern hoch. Auf Schritt und Tritt schalteten sich Bewegungsmelder ein, oder eine Videokamera nahm einen ins Visier. Grünwald hatte schon immer den Charme einer Festungsanlage. Man verstand sofort, dass sie alle Schiss hatten.
    Ich hatte Klingelknopf und Hundeband genug strapaziert. Außerdem wurde ich auffällig. Gegenüber teilte sich ein Vorhang, eine Frau im weißen, kurzen Kleid trat auf die Veranda. Viel sah man nicht, aber das Wenige hätte den radikalsten Jakobiner froh gemacht: Alle Menschen hier waren gleich, und die Frauen sahen wie Schwestern aus. Durch Sonnenbank und Lifting. Ich winkte hinüber, aber die ledrig gebräunte Blondine verschwand wieder im Haus. Gedanken, die zu lange stehen, werden ohnmächtig, also fackelte ich nicht lange, stieg auf das schmiedeeiserne Eingangstor und sprang in den Garten. Früher war man gelenkiger. An den Buchsbüschen entlang drückte ich mich am Haus vorbei, um die Bewegungsmelder zur Straße hin zu vermeiden. Geschafft. Ich klopfte mir Käfer und Blätter aus dem Hemd und guckte mich um. Eine schöne, hell gepflasterte Terrasse, dahinter kurzgeschnittener Rasen und in der Mitte ein Pool, der mit einer leichten Plane abgedeckt war. Ein paar Birken und die Buchshecke bildeten den Abschluss. Das alles sah irgendwie einladend aus, hatte aber einen so gekünstelten Charme, dass nur noch die Sonne und Rex Gildo mit einem Longdrink in der Teakholzliege fehlten. Und natürlich Pia. Ich guckte mich um und suchte nach einem Schlagwerkzeug. Ich fand einen Spaten, der im Rosenbeet steckte. Ich ging auf das Haus zu, als ich meinen Fuß auf die Terrasse setzte, schaltete sich Licht ein.
    Es gab nur einen Weg hinein, und der führte über die Terrassentür. Der einzig unvergitterte Auslass in diesem Haus. Ich setzte meinen Spaten an, aber Gewalt war unnötig, die Tür war unverschlossen und ließ sich aufschieben. Das ging so mühelos vonstatten, als hätte schon jemand vor mir denselben Weg genommen. Ich stand im Wohnzimmer. Mit seiner Glasfront zum Garten hin mutete es wie ein Schwimmbad im New Romantic-Stil an. Das Werk eines Innenarchitekten. Rote, tüllgebauschte Satinvorhänge von goldenen Kordeln zusammengehalten, dazu golden besprühte Trockenblumen, die in großen Vasen standen. Ein hingetupfter schwuler Schmelz von gefühlvoller Hingabe, über die sonst nur noch der Miedermacher von Sophia Loren verfügt. Der große Raum war in zwei Ebenen aufgeteilt, eine Treppe führte zum offenen Kamin hinunter, vor dem eine mokkafarbene Sitzlandschaft aufgebaut war. Ein Anblick, der einem wie ein doppelter Caffe corretto in den Magen fuhr.
    – Pia?
    Ich wollte mir nicht den Vorwurf machen, ich hätte es nicht versucht.
    – Pia!
    Ich ging zum Treppenaufgang. Auf dem braun marmorierten Steinfußboden lag ein orangefarbener Läufer, das geschwungene Eisengeländer war zartgrün. Sollte an Antikkupfer erinnern. Auf der Skala kuscheliger Wohnungseinrichtungen waren hier nur die drei Sterne eines Gefrierfachs zu vergeben.
    Auch oben war der Innenarchitekt am Werk gewesen. Um das noch ausmachen zu können, musste man einen ziemlich geschulten Blick haben. Denn im ersten Stock sah es heftig aus. Die Zimmer wirkten vollkommen verwahrlost, als habe eine wochenlange Burgerparty dort stattgefunden. Pias Bett war zerwühlt und lange nicht gemacht worden. Schmutzige Wäsche war einfach unter das Gestell geschoben worden. Das Zimmer roch muffig und abgestanden. Nebenan lagen Pizzakartons und Fastfoodschachteln gestapelt. In Plastiktüten waren Colabüchsen und Flaschen gestopft. Offenbar lebte sie nach dem Prinzip, wenn du etwas nicht mehr brauchst, wirf es auf den Boden. Auch ihrer Putzfrau schien sie gekündigt zu haben.
    Ich setzte mich im Mädchenzimmer auf einen Sessel, der zu einer cremefarbenen Sitzlandschaft gehörte. Unter normalen Umständen ein Traum in Apricot. Ein wenig von dem, was sich abgespielt haben musste, verstand ich, als ich den Glastisch vor mir ins Auge gefasst hatte: Taschenspiegel, das vergoldete Rasiermesser, das Pia gern um den Hals trug, ein eingerollter Karton und Spuren von weißem Pulver um ein leeres Briefchen. Ich rollte die Karte auf. Sie lautete auf den Club Oase , ein Billigpuff im Euroindustriepark, so weit ichdas wusste. In spitzen
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