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Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)

Titel: Vier Fäuste für ein blaues Auge: Wie der Wilde Westen nach Deutschland kam (German Edition)
Autoren: Tommy Krappweis , Heinz J. Bründl
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Prolog
    I ch erinnere mich noch sehr gut an meinen ersten Besuch in No Name City – und auch an diesen ungewöhnlichen Claim: »Die authentischste Westernstadt Europas« …

    Mal abgesehen davon, dass es gar nicht so einfach ist, das Wort »authentischste« im Verbund mit dem direkt folgenden Wort »Westernstadt« auszusprechen, lässt einen die Behauptung zunächst ein bisschen grübeln. Schließlich gibt es in ganz Europa historisch und kulturell bedingt keine einzige wirklich echte Westernstadt. Somit muss auch die allerauthentischste Westernstadt in Europa zwingend künstlich geschaffen sein. Allerdings kann ja auch etwas, das künstlich ist, trotzdem das authentischste Exemplar aller anderen künstlichen Exemplare sein. Und hier setzt entweder der Kopfschmerz ein, oder man lässt es einfach auf sich beruhen.
    Meine Eltern störte all das nicht. Warum auch? Denn schließlich gab es mit No Name City in Poing bei München einen Ausflugsort, den tatsächlich beide ihrer Kinder ganz wahnsinnig toll fanden. Wenn Sie mein Buch »Das Vorzelt zur Hölle« gelesen haben, dann wissen Sie, dass ich als Kind kaum etwas toller fand, als zu Hause Lego zu bauen oder Bücher zu lesen, und in gewisser Weise trifft das auch heute noch zu. Doch mit einem Besuch in einer Westernstadt könnte man mich tatsächlich immer noch recht einfach motivieren, die Wohnung zu verlassen.

    Es gibt sogar zwei Fotos von diesem ersten Besuch in No Name City anlässlich des Geburtstags meines kleinen Bruders Nico. Auf dem ersten Foto stehen wir einander gegenüber wie bei einem Duell. Auf dem zweiten Foto schießt mich mein Bruder mit seiner Spielzeugpistole über den Haufen. Die imposanten Qualmwolken auf dem Foto stammen nicht aus dem armseligen Zündkapselring, der nur in unseren Köpfen BAMM machte und in Wirklichkeit so etwas Ähnliches wie petsch, petsch, petsch. In den Achtzigern gab es aber noch keine App für solche Fotoeffekte und auch noch keine Digitalfotografie. Die Veteranen unter den Lesern erinnern sich vielleicht noch an diese Zeit: Fotos wurden meistens weggeschickt und maschinell entwickelt, und man wusste nie so genau, was man in ein paar Tagen zurückbekommen würde. Die einzige Alternative war, dass man die Fotos selbst von Hand entwickelte. Glücklicherweise hatte ich im Fotolabor der Fachoberschule für Gestaltung die Möglichkeit dazu. Also legte ich beim Entwickeln des Fotos ein paar Wattefetzen auf das Fotopapier, was dafür sorgte, dass diese Stelle mehr oder weniger weiß blieb und somit einigermaßen qualmige Formen entstanden. Sollte es mir zu denken geben, dass das erklärte Lieblingsfoto meines jüngeren Bruders ein Bild ist, auf dem er seinen großen Bruder über den Haufen schießt? Ich hoffe mal auf ein »Nein«…

    Ansonsten weiß ich noch sehr genau, wie lustig wir es fanden, dass hier pro Tag zweimal die Bank überfallen wurde. Immer pünktlich um 11.30 Uhr und um 15.30 Uhr. Und falls der Sheriff mal vergessen hatte, seinen Wecker zu stellen, um das Ersparte seiner Schutzbefohlenen vermittels doppelläufiger Schrotflinte zu verteidigen, konnte er sich darauf verlassen, dass ihn eine sonore Stimme fünfzehn Minuten vorher via Lautsprecher daran erinnerte: »Um 11.30 Uhr wird in No Name City die Bank überfallen. Die Wildwest Stuntshow mit Banküberfall um 11.30 Uhr auf der Mainstreet.« Praktisch.
    Somit standen wir also überpünktlich hinter der sekundenschnell errichteten Absperrung und warteten gespannt. Musik von Ennio Morricone ertönte, und die Spannung stieg. Mein kleiner Bruder fingerte nervös an seinem Colt herum, jederzeit bereit, sich mit petsch, petsch, petsch in die Schießerei zu stürzen. Ich stand daneben, mit dem betont skeptischen Blick eines sechzehnjährigen Möchtegern-Showmans, der kaum etwas gut finden kann, bei dem er nicht selbst möglichst ursächlich beteiligt ist. Einerseits war ich total fasziniert von den so unglaublich echt wirkenden Gebäuden und der fast schon schmerzhaften Detailverliebtheit in der Ausstattung. Nicht ohne Grund hatte No Name City immer wieder als Filmset für Werbespots und dergleichen hergehalten. Andererseits wollte ich so sehr Teil dieser ganzen Sache sein, dass ich kaum klar denken und erst recht keine Show passiv genießen konnte.
    Allerdings machte ich mir da keine Hoffnungen. Denn auch die Mitwirkenden sahen aus, als hätte man sie extra designt. Da konnte ich beim besten Willen nicht mithalten. Nie zuvor hatte ich eine solche Ansammlung
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