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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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ich mich nur noch an eine verschwommene Schliere, einen verwaschenen grauen Fleck, halb verdeckt von einem blendenden Sonnenstrahl. Das Grau hängt vielleicht mit dem Erinnerungsverlust zusammen. Ich glaube, er hatte helle Augen und eine spitze Nase. Er war Ende Zwanzig (ein bißchen jünger als ich), und sein ganzes Wesen zeigte sich in seinem verkniffenen Gesicht.
    Ein älterer Mann ohne Purpurstreifen am Gewand – also kein Senator – saß am Spielfeldrand und sagte nichts. Ein leeres, nichtssagendes Gesicht und ein kahler, nichtssagender Kopf. Erfahrungsgemäß sind es die Männer in den Ecken, auf die man vor allem achten muß. Aber zuerst tauschte Pertinax Höflichkeiten mit mir aus.
    »Falco!« rief er in gebieterischem Ton, nachdem ein rasantes Vorspiel meinen Namen zutage gefördert hatte. »Wo ist das Mädchen?«
    Ich versuchte mir gerade eine Antwort von angemessener Grobheit zurechtzulegen, als er seinem Feldwebel befahl, mich etwas aufzumuntern. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß ich ein freigeborener Bürger sei und daß es eine Beleidigung der Demokratie sei, die Faust gegen einen Bürger zu erheben. Wie sich herausstellte, waren weder Pertinax noch seine Schläger in politischer Wissenschaft sehr bewandert: bedenkenlos gingen sie daran, die Demokratie zu beleidigen. Ich hatte das Recht, direkt an den Kaiser zu appellieren, kam aber zu dem Schluß, daß es keinen Zweck hatte, diese Idee weiterzuverfolgen.
    Hätte ich geglaubt, Pertinax sei aus Zuneigung zu Sosia so gewalttätig, dann wäre das Ganze eventuell leichter zu ertragen gewesen, aber uns bewegten nicht die gleichen Gefühle. Die Sache machte mir erhebliches Kopfzerbrechen. Natürlich konnte es sein, daß der Senator es sich anders überlegt, den Vertrag storniert und mich beim Magistrat angezeigt hatte, aber ich hatte Decimus Camillus so leicht herumbekommen, und er wußte ja (ungefähr), wo sein fehlendes Fräulein steckte. Also hielt ich durch, blau gefleckt, aber stolz.
    »Ich werde Sosia Camillina ihren Angehörigen zurückgeben, sobald sie mich darum bitten. Du kannst machen, was du willst, Pertinax – kein anderer wird sie bekommen!«
    Ich sah, wie sein Blick zu dem Bürgerlichen in der Ecke wanderte. Der Mann zeigte ein mageres, betrübtes, geduldiges Lächeln.
    »Sehr freundlich«, sagte er. »Meine Name ist Publius Camillus Meto. Ich bin ihr Vater. Vielleicht dürfte ich Sie jetzt bitten!«
    Ich schloß die Augen. Richtig – niemand hatte mir gesagt, in welcher Beziehung der Senator eigentlich zu Sosia stand. Der da mußte sein jüngerer Bruder sein, der Mann, der das frostige Haus nebenan bewohnte. Mein neuer Klient war also nur ihr Onkel. Alle Besitzansprüche lagen beim Papa.
    Nach einigen weiteren »Fragen« erklärte ich mich bereit, ihren Vater und seine netten Freunde zu ihr zu führen.
    Als wir bei der Wäscherei ankamen, schoß Lenia zur Tür heraus. Das wilde Getrampel so vieler Füße hatte sie neugierig gemacht. Daß ich verhaftet war, überraschte sie nicht.
    »Falco? Deine Mutter sagt – Oh!«
    »Aus dem Weg, alte Vettel!« schrie Pertinax und stieß sie zur Seite.
    Ich wollte ihm die Schande ersparen, von einer Frau in die Mangel genommen und zu Brei gequetscht zu werden, deshalb legte ich behutsame Fürsprache für ihn ein: »Jetzt nicht, Lenia!«
    Nachdem sie zwanzig Jahre lang triefnasse Togen ausgewrungen hatte, besaß sie viel mehr Kraft, als man ihr ansah. Pertinax hätte ganz erheblich Schaden nehmen können. Ich wünschte es ihm. Am liebsten hätte ich ihn festgehalten, während sich Lenia um ihn kümmerte. Am liebsten hätte ich mich selbst um ihn gekümmert.
    Doch inzwischen hatte uns der Schwung unserer Ankunft bereits nach oben befördert. Es wurde ein kurzer Besuch. Als wir in meine Wohnung stürmten, war Sosia Camillina nicht da.

IX
    Pertinax war wütend. Ich war deprimiert. Ihr Vater wirkte erschöpft. Ich erbot mich, ihm bei der Suche nach ihr zu helfen: Ich sah, wie er einschnappte.
    »Lassen Sie die Finger von meiner Tochter, Falco!« rief er zornig.
    Verständlich. Wahrscheinlich ahnte er, weshalb sie mich so interessierte. Irgendwelche Lümmel von einer solchen Tochter fernzuhalten, nahm vermutlich einen ziemlichen Teil seiner Zeit in Anspruch. Ich murmelte in verantwortungsvollem Ton:
    »Dies ist dann wohl nicht mehr mein Fall –«
    »Das ist er nie gewesen, Falco!« krähte Pertinax, der Ädil.
    Ich hatte keine Lust, mich mit einem reizbaren Opportunisten anzulegen. Vor allem nicht mit
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