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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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wollte.
    Ein Auge auf die Balktontür geheftet, schälte ich mir die Kleider vom Leib, goß Wasser in eine Schüssel und wusch mich gründlich, bis der Geruch von Reichtum und Dekadenz aus den Poren meiner kalten Haut verschwunden war.
    Ich ging hinüber ins Schlafzimmer und machte ziemlich viel Lärm, während ich mir eine saubere Tunika heraussuchte, die ich besonders gern hatte, und mich dann kämmte. Die Locken kringelten sich noch immer nicht.
    Der Jemand dort draußen wartete weiter, die ganze Zeit über.
    Ich wollte mich hinlegen. Aber ich ging zurück in das große Zimmer, nahm eine von meinen Lampen und lenkte meine müden Füße hinaus auf den Balkon. Ich war total erschöpft und vollkommen unbewaffnet.
    Die Luft war lau, und gelegentlich drang aus der im Dunkeln daliegenden Stadt ein schwaches Geräusch mit jener seltsamen Deutlichkeit herauf, die Laute zuweilen gewinnen, wenn sie den sechsten Stock erreichen.
    »Was für Aussichten!«
    Sie stand an der Balustrade und sah in die Ferne. Als sie mich sprechen hörte, drehte sie sich um: Augen wie warmer Karamel in einem Mandelgesicht. Nur die Götter wissen, wie lange sie dort gestanden hatte und welchen Zweifeln ihre Zuversicht ausgesetzt war, während sie auf meine Heimkehr wartete.
    »Sosia hat mir von deiner Aussicht geschrieben.«
    » Die habe ich nicht gemeint « , sagte ich.
    Und sah sie weiter an.
    Sie stand dort, und ich stand hier, sie im Dunkeln und ich mit einer Lampe in der Hand. Wir wußten beide nicht, ob wir noch Freunde waren. Hektische Nachtfalter schwirrten aus der Finsternis heran. Irgendwann würden wir über das, was geschehen war, sprechen, aber nicht jetzt; zuviel mußten wir erst zwischen uns zurechtrücken.
    »Ich habe schon befürchtet, du würdest überhaupt nicht mehr kommen. Bist du betrunken?« Ich hatte auf dem Nachhauseweg tatsächlich mehrere durchgehend geöffnete Weinlokale besucht.
    »Ich werde schnell nüchtern. Wie lange wartest du schon?«
    »Lange. Überrascht es dich?«
    Ich überlegte. Nein. Bei ihr überraschte es mich nicht.
    »Ich dachte, ich würde dich nie wieder sehen, meine Liebe. Wie soll ich dich nennen?«
    »Ich finde, jetzt, nachdem du mich in der Öffentlichkeit angespuckt hast, kannst du vielleicht Helena zu mir sagen.«
    »Helena«, murmelte ich gehorsam.
    Ich mußte mich setzen. Ich ließ mich auf der Bank nieder, die ich für träumerische Stunden nach draußen gestellt hatte, und stöhnte vor Erschöpfung.
    »Willst du, daß ich gehe?«
    »Zu spät«, sagte ich, und mir war, als hätte ich das irgendwann schon einmal gesagt. »Zu dunkel. Zu gefährlich … Ich möchte, daß du bleibst. Setz dich zu mir, Helena; setz dich zu einem Mann auf den Balkon und lausche der Nacht!« Aber sie blieb, wo sie war.
    »Warst du bei einer Frau?«
    In der Dunkelheit konnte ich ihr Gesicht nicht erkennen.
    »Geschäftlich unterwegs«, sagte ich.
    Helena Justina wandte sich ab und blickte wieder über die Stadt unter ihr.
    »Ich bin so froh, dich zu sehen!« sagte ich.
    »Mich?« Sie fuhr herum. »Oder irgendeine?«
    »Dich«, sagte ich.
    »Ach, Marcus, wo bist du nur gewesen?« Als sie es diesmal fragte, hatte ihre Stimme einen anderen Klang.
    Ich erzählte ihr von der Wallanlage, und ich erzählte ihr von Vespasian.
    »Heißt das, du arbeitest jetzt für den Kaiser?«
    Ich arbeitete für sie.
    »Ich arbeite für mich selbst. Aber er ist bereit, mich auf die Liste für den zweiten Rang zu setzen, wenn ich das nötige Geld zusammenspare.«
    »Wie lange wird das dauern?«
    »Ungefähr vierhundert Jahre.«
    »Ich kann warten!«
    »Allerdings nur, wenn ich zwischendurch nichts esse und in einem Faß unter der Fabrizischen Brücke hause. Ich werde dich nicht warten lassen.«
    »Ich kann tun, was ich will!«
    Helena Justina fuhr sich mit der Hand über die Augen, und als ihre Stimme vor Unwillen ganz rauh wurde, da wurde mir klar, daß sie genauso erschöpft war wie ich. Ich streckte ihr eine Hand entgegen, und endlich kam sie. Sie setzte sich neben mich; ich legte ihr einen Arm um den Rücken, um sie vor der rauhen Wand zu schützen. Steif saß sie da und rückte noch ein wenig von mir ab. Ich streifte den Umhang zurück, den sie über den Kopf gelegt hatte, und als ich über ihr warmes, weiches Haar strich, schloß sie die Augen. Jetzt wußte ich, daß es Sehnsucht bedeutete und nicht Abscheu.
    Ich steckte ihr eine herabhängende Haarsträhne fest, die hinter das Ohr gehörte, und sagte, mir hätte schon immer die Art
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