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Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
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gefallen, wie sie ihr Haar hochsteckte.
    Helena tat, als hätte sie es nicht gehört, und teilte mir statt dessen frostig mit: »Während ich auf dich wartete, habe ich drei junge Dinger in ungehörigen Kleidern weggeschickt, die gehört hatten, du seist womöglich reich geworden –« Ich griff nach ihrer Hand; sie trug meinen Ring. Das hatte ich erwartet. Aber nicht, daß ich ihn am Ringfinger ihrer linken Hand finden würde. »Deine Mutter war da.« Sie antwortete auf meine Berührung mit einem beruhigenden Druck ihrer Finger. »Sie hat mich gewarnt, du würdest irgendwann hereingepoltert kommen, kalt und müde, betrunken und verdrossen wie Zerberus. Sie meinte, aus dir würde nie etwas.«
    »Sie meint, ich brauche eine gute Frau.«
    »Und was meinst du?«
    »Wenn ich eine fände, wäre sie enttäuscht.«
    »Vielleicht wäret ihr beide enttäuscht. Oder –«
    »Oder«, stimmt ich vorsichtig zu, »auch nicht! Ach Liebling, darum geht es doch gar nicht.«
    »Du hast mal gesagt«, begann Helena jetzt wieder, »wenn du mich liebtest, würde daraus eine Tragödie. Aber was wäre, wenn ich dich liebe?«
    »Ich würde es dir verzeihen, wenn du es dir selbst verzeihen kannst!«
    Sie wollte etwas sagen, aber ich legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen. »Nicht. Ich ertrage das nicht. Du hast gesehen, wie ich lebe. Ich könnte dich nie hierherholen. Du weißt, wie meine Aussichten sind – fast gleich null. Ich kann dich nicht mit Versprechungen hinhalten. Besser die Dinge so nehmen, wie sie sind. Besser gar nichts sagen. Besser weglaufen, solange du kannst –«
    »Es ist zu spät«, wiederholte Helena meine Worte von vorhin mit trauriger Stimme.
    Ich ließ sie los und schlug die Hände vor das Gesicht.
    Der Augenblick ging vorüber.
    Ein großer Nachtfalter stieß gegen meine Lampe. Er lag auf dem Tisch, nicht versengt, nur betäubt. Er war fünf Zentimeter lang und hatte die Form eines Katapultgeschosses, mit kräftigen, braun gesprenkelten Flügeln, die fest aneinanderlagen. Er war genauso durcheinander wie ich.
    Ich stand auf und schob ihn vorsichtig auf den Saum meiner Tunika, während Helena die Lampe löschte. Ich setzte den Falter auf eine Blüte im Blumenkasten. Zuerst torkelte er ein bißchen und blieb dann still sitzen. Mochte er davonflattern oder das Risiko eingehen, am nächsten Morgen von den Tauben zum Frühstück verspeist zu werden. Ich stand da und blickte auf Rom. Der Augenblick war vergangen, aber ihre Worte würden immer bei mir sein. Wenn ich irgendwo allein arbeitete, in jedem ungestörten Augenblick, würden Helenas Worte da sein.
    »Marcus!« rief sie.
    Ich drehte mich langsam zu ihr um. Bei dem spärlichen Licht der Lampen drinnen konnte ich ihr Gesicht kaum erkennen. Aber darauf kam es nicht an; ich kannte sie. Auch wenn die Trauer sie bedrückte und die Zuversicht sie verlassen hatte, erfüllte mich ihr Anblick zugleich mit panischem Schrecken und bebender Erregung.
    »Du weißt, daß ich dich nach Hause bringen muß.«
    »Morgen«, sagte sie, »– wenn du willst, daß ich bleibe.«
    »Ich will, daß du bleibst!« Ich ging über den Balkon auf sie zu.
    Der Blick, den mir die Tochter des Senators zuwarf, sagte mir, daß sie wußte, was ich im Sinne hatte, und selbst wenn ich anfangs gar nichts im Sinn gehabt hätte, so wäre es mir jetzt in den Sinn gekommen; es war einer von diesen Blicken. Ich stand so nah vor ihr, daß ich ihr einen Arm um die Hüfte legen konnte. Ich zog sie zu mir und drückte sie an mich – und wußte plötzlich wieder, wie ihre Nähe war. Wir waren beide behutsam, aber sie schien sehr kooperativ, und deshalb hob ich sie hoch. Helena Justina wog etwas weniger als ein staatlicher Bleibarren; so schwer, daß man noch hantieren konnte, aber schwer zu stehlen … Ein Mann konnte sie über seine Schwelle wuchten, ohne daß ihm das alberne Lächeln verging; ich weiß es, denn ich tat es.
    Es war so spät, daß selbst der nächtliche Lärm der Lieferwagen endlich abzunehmen begann. Viel zu spät, sie nach Hause zu bringen. Und auch aus dem Haus ihres Vaters würde sie niemand mehr bei mir abholen. Morgen früh würde das gewohnte Leben, der Alltag, der Trott wieder losgehen. Morgen würde ich sie zurückbringen müssen.
    Das war morgen. Heute nacht gehörte sie mir.
     
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