Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silberschweine

Silberschweine

Titel: Silberschweine
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
erklären, mein Fräulein?« fragte ich hilfsbereit.
    Sie war zu verzweifelt, um sich noch zu verstellen. »Ich brauche Polizeischutz.« Noch drei Schritte: unsere Möglichkeiten wurden jetzt schnell knapper … Ihre Miene veränderte sich.
    »Nein, helfen Sie mir! «
    »Mit Vergnügen!«
    Ich nahm die Sache in die Hand. Ich hakte sie unter und riß sie zur Seite, als der erste Fettwanst gerade zum Sprung ansetzte. Aus der Nähe sahen sie noch klobiger aus, und das Forum gehörte nicht zu den Gegenden, wo ich irgendwelche Hilfstruppen mobilisieren konnte. Dem ersten Schläger pflanzte ich die Sohle meines Schuhs vor die Brust und streckte dann mit aller Kraft das Bein durch. Ich spürte, wie es im Knie knirschte, aber der Halunke taumelte rückwärts, rempelte in seinen Kollegen hinein, und nun schwankten sie beide wie zwei untalentierte Akrobaten. Ich überlegte, wie ich ihnen ein bißchen Ablenkung verschaffen konnte.
    Die Treppen waren wie immer bevölkert von illegalen Wettbrüdern, und auf den Absätzen hatten sich Marktstände breitgemacht, die allerlei überteuerte Waren feilboten. Ich überlegte, ob ich mir ein paar Melonen schnappen sollte. Aber aufgeplatzte Früchte machen dem Händler ein Loch in die Kasse. Ich hatte selbst ein Loch in der Kasse und entschied mich deshalb für das geschmackvolle Kupfergeschirr. Ein leichter Stoß mit der Schulter – und der komplette Stand kippte. Das Gekrächz des Verkäufers ging unter im Geschepper der Kannen, Krüge und Vasen, die mit einem Beulen-Tempo die Tempelstufen herunterpolterten, gefolgt von ihrem verzweifelten Besitzer und einer Anzahl rechtschaffener Passanten, die hofften, an diesem Abend mit einer neuen, hübsch kannelierten Obstschale unter dem Arm nach Hause zu kommen.
    Ich packte das Mädchen und riß sie die restlichen Tempelstufen hoch. Es blieb uns wenig Zeit, die ehrwürdige Schönheit des ionischen Portikus zu bewundern. Ich zerrte sie zwischen den Säulen hindurch ins Innere des Heiligtums. Sie zeterte; aber ich ließ nicht los und stürmte mit großen Schritten weiter. Es war so kühl, daß wir zu frösteln begannen, und so dunkel, daß ich ins Schwitzen geriet. Der Raum war von einem alten, genauer gesagt: uralten Geruch erfüllt. Unsere Schritte hallten über den alten Steinfußboden.
    »Darf ich überhaupt hier rein?« zischte sie.
    »Mach ein frommes Gesicht – wir sind richtig!«
    »Aber raus kommen wir hier nicht mehr!«
    Wenn Sie sich mit Tempeln auskennen, wissen Sie, daß die nur einen einzigen prächtigen Eingang haben, und zwar vorne. Wenn Sie sich mit Priestern auskennen, wird Ihnen aufgefallen sein, daß sich diese Leute meistens ein diskretes Türchen offenhalten, und zwar hinten. Die Priester des Saturn enttäuschten uns nicht.
    Ich brachte sie auf der Seite der Rennbahn nach draußen und schlug den Weg nach Süden ein. Aus dem Regen war das arme Mädchen direkt in die Traufe geraten, oder vielmehr aus der Arena in die Löwengrube. Ich galoppierte mit ihr durch dunkle Gassen und um stinkende Ecken, vertrauteren Gefilden entgegen.
    »Wo sind wir hier?«
    »Im Dreizehnten Bezirk, dem Aventinischen. Südlich vom Circus Maximus, vor uns liegt die Via Ostiensis.« Das war ungefähr so beruhigend, wie wenn der Hai die Flunder angrinst. Vor Gegenden wie dieser hatte man sie bestimmt oft genug gewarnt. Und wenn ihre liebevollen alten Kindermädchen etwas von ihrem Job verstanden, dann hatten sie sie bestimmt auch vor Kerlen wie mir gewarnt.
    Nachdem wir die Via Aurelia überquert hatten, ging ich langsamer, zum einen weil ich mich nun auf dem sicheren Boden meines eigenen Viertels befand, aber auch weil sie nicht mehr konnte.
    »Wohin?«
    »In mein Büro.«
    Sie wirkte erleichtert. Aber nicht lange: mein Büro bestand nämlich aus zwei Zimmern im sechsten Stock einer dumpfen Mietskaserne, deren Wände im wesentlichen durch Dreck und tote Bettwanzen zusammengehalten wurden. Bevor meine Nachbarn anfingen, sich Gedanken über den Preis ihrer Kleider zu machen, schob ich sie von dem Schlammpfad herunter, der angeblich unsere Hauptstraße war, und bugsierte sie in Lenias Wäscherei. Daß hier nur kleine Leute verkehrten, sah man auf den ersten Blick.
    Da vernahm ich die Stimme von Smaractus, meinem Vermieter, also machten wir gleich wieder kehrt.

II
    Zum Glück wollte er gerade gehen. Ich zog das Mädchen in die Arkade eines Korbflechters, duckte mich hinter sie und machte mich an den Riemen meines linken Schuhs zu schaffen.
    »Wer ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher