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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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keuchte. Endlich kam er zum Ziel und zog sich rasch zurück, weil ich ihm gesagt hatte, daß ich die Pille nicht nahm. Doch das merkte ich längst nicht mehr. Ich schlief bereits, glitt in warme, schützende Dunkelheit und schlug die Augen erst wieder auf, als er mich lachend wachrüttelte. Er führte mein Schlafbedürfnis auf seine soeben vollbrachte Leistung zurück und fühlte sich geschmeichelt.
    Während ich zusammengerollt dalag, zündete er sich eine Zigarette an, rauchte versonnen und offenbar höchst befriedigt. Als er mich weinen sah, war er ehrlich betroffen:
    »Was hast du? Habe ich dir weh getan?«
    Ich schüttelte nur den Kopf, und er reichte mir sein Taschentuch. Natürlich hatte er gemerkt, daß er nicht der erste Mann in meinem Leben war, und fragte direkt, mit wie vielen Männern ich bereits geschlafen hätte. Ich schluchzte und sagte, nur mit einem, was ja in gewisser Weise der Wahrheit entsprach. Er sagte, nun weine doch nicht, mein Häschen, ist ja alles halb so schlimm. Für ihn spiele es keine Rolle, und er habe durchaus das Gefühl, daß wir uns gut verstehen.
    Ich verbarg mein heißes Gesicht an seiner Schulter, und er gab mir, für eine Weile, die Illusion seiner Zärtlichkeit.
    Während der nächsten zwei Monate verbrachte er jedes Wochenende mit mir.
    Wir fuhren nach Nizza, Cannes und nach Les-Bauxde-Provence. Daß ich jedesmal beim Geschlechtsakt einschlief, nahm Bruno amüsiert in Kauf; eine Zeitlang weckte er mich sanft, mit einem Kuß oder einem Streicheln. Dann wachte ich auf, mit weichen, gelösten Gliedern, und hängte mich an seinen Hals wie ein Kind, was ihn erregte. Doch sobald er sich auf mich wälzte, sobald ich unter diesem feuchten Fleisch, diesen schweren Knochen lag, glaubte ich zu ersticken. Ich keuchte, schnappte nach Luft, versteifte mich in Erinnerung eines Schmerzes, der jedoch nicht einsetzte oder nur ganz schwach. Stell dich nicht so an, wehr dich nicht. Es tut ja kaum weh. Und gleich kannst du dich waschen.
    Im Oktober schrieb ich mich an der Universität von Montpellier ein. Ich sollte bei Tante Marguerite, der Schwester meiner Mutter, wohnen. Ich hatte schon früher drei Jahre bei ihr gewohnt. Ein paar Tage, bevor das Semester anfing, kam Bruno nach Arles und fragte mich, ob ich ihn heiraten wolle. Er erklärte mir, daß er für gewöhnlich nicht mit der Tür ins Haus falle, sich aber der Entfernung wegen Gedanken mache. Er sei ein vielbeschäftigter Mann und könne nicht jedes Wochenende nach Südfrankreich kommen, nur um mir kunstgerecht den Hof zu 17
    machen. Andererseits halte er nicht viel von alten Floskeln. Was ihn betreffe, habe er bereits einige Frauen »vernascht«, sei jedoch davon überzeugt, daß ich die einzig Richtige war, mit der er »den Bund fürs Leben« schließen wolle.
    Tief in meinem Inneren focht ich einen Kampf aus. Ich mußte wählen.
    Morgen? Was? Wer? Nichts. Ein dunkles Loch. Studieren, wozu eigentlich?
    Früher war die Welt ein Bilderbuch, das Lernen eine Verzauberung, die Zukunft leicht und schillernd wie eine Seifenblase. Jetzt kam mir alles, was ich vorhatte, groß und schwierig vor, fast zu schwierig. Neunzehn Jahre, soeben erwachsen geworden, und schon war meine Lebenskraft ausgelöscht; ich fühlte mich hilflos und verloren wie der Vogel in der Hand des Jägers. Ich war nicht tot, aber auch nicht mehr lebendig. Ich brauchte eine schirmende Wand zwischen mir und der Außenwelt, eine Stimme, die ruhig und zärtlich zu mir sprach, ein Herz, das ich schlagen hörte, einen Arm, der mich umfaßte. Ich suchte ein Licht im Dunkeln, ich sehnte mich nach einem Traum…
    Und nun war Bruno da. Solide und real. Ich gewöhnte mich allmählich an seine Art, Sprüche zu klopfen, redete mir sogar ein, daß sie ihm etwas Sachverständiges gaben. Er machte mir den Eindruck eines gewissenhaften Menschen, nicht besonders geistreich oder überdurchschnittlich intelligent, aber verläßlich und klug.
    Er war jemand, bei dem ich Vertrauen lernen konnte, und das war genug.
    Ansprüche konnte ich nicht stellen, das hatte mir meine Mutter immer wieder gesagt. Bruno war bereit, mich zu nehmen, als sei nichts gewesen. Er zeigte sich in diesen Dingen sehr großzügig. Vielleicht konnte er meine Wunden heilen, nicht heute, aber in Zukunft. Warum zögerte ich noch? Ich sagte ja.
    Wir fuhren zu meinen Eltern, um ihnen unseren Entschluß mitzuteilen und die nötigen Papiere zu holen. Nichts hielt mich in Arles zurück; wir waren übereingekommen, daß ich mit
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