Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
Vom Netzwerk:
unmöglich machte. Und nun saß ich neben ihm, schaudernd, fast erstickend.
    »Bitte, Bruno«, sagte ich leise, »ich mag nicht darüber reden.«
    »Und warum nicht?«
    Er stieß den Rauch aus, wartete, daß ich etwas sagte. Ich hustete, meine Augen brannten, ich kurbelte die Scheibe herunter, um frische Luft in den Wagen zu lassen.
    »Es war sehr traurig, und ich will mich nicht daran erinnern.«
    Doch Bruno in seiner sturen, methodischen Art ließ nicht locker. »Wir sollten das Problem ausdiskutieren und gemeinsam eine Lösung suchen. Deine Angelegenheiten sind von jetzt an auch die meinen.«
    Irgendein Lügenmärchen hätte ihn wahrscheinlich beruhigt. Aber dazu fehlte es mir an Phantasie und vor allem an Kaltblütigkeit. Als keine Antwort kam, warf er mir einen Blick zu und sah, daß ich weinte. Die Tränen liefen warm über mein Gesicht.
    »Bitte, nicht!«
    Immerhin war Bruno kein Holzklotz; er spürte, daß meine Verzweiflung echt war, und ließ tief verunsichert sein übliches Verlegenheitsräuspern hören.
    21
    »Also, wenn du nicht darüber sprechen willst, lassen wir das Thema eben fallen«, sagte er, wobei er selbst nicht wußte, ob er sich jetzt ergriffen, besorgt oder pikiert zeigen sollte. Ich atmete wie eine, die vorm Ertrinken gerettet wird, zerdrückte die Tränen mit den Fingern und zwang mich, den Kopf an seine Schulter zu lehnen. Die Geste wirkte versöhnlich. Er legte den freien Arm um meinen Hals und wühlte mit seiner typisch groben, aber wohlmeinenden Zärtlichkeit in meinem Haar.
    »Nun weine doch nicht«, brummte er, echt berührt und spürbar sexuell erregt.
    »Es wird schon alles gut werden…«
    Wir fuhren spät am Abend über die Schweizer Grenze. Bruno wollte nicht, daß ich bei ihm wohnte. Ich sollte nicht ins Gerede kommen. Er hatte von einer Raststätte aus in Vevey angerufen und mir ein Hotelzimmer besorgt. Dort wohnte ich bis zu unserer Hochzeit.
    Legte Bruno seine selbstherrliche Art beiseite, dann zeigte er sich liebenswürdig, humorvoll und sogar zu Streichen aufgelegt, manche davon an der Grenze der Geschmacklosigkeit. Er hatte etwas von einem strenggehaltenen Internatszögling an sich, der in seiner Freizeit nahezu wollüstig auf die Pauke haut.
    Wir machten Pläne für die Zukunft. Arbeiten, wie ich es ursprünglich vorhatte, kam nicht in Frage.
    »Ich bin vielleicht etwas altmodisch«, sagte Bruno, »aber in unsicheren Zeiten sollten bewährte Traditionen als Lebensregel neu beachtet werden.«
    Dazu gehörte die Frau am heimischen Herd als Hort und Stütze des Familienlebens. Bruno würde mir selbstverständlich eine Putzfrau besorgen. Schön sollte ich es haben. Auf Händen wollte er mich tragen. Und da ich mich weder als besonders gescheit noch als besonders begabt empfand, ließ ich mich fügsam und sogar zufrieden in dieses Schema pressen.
    Wir heirateten Anfang November. Die Trauung wurde in der Sankt-Johann-Kapelle in Greyerz abgehalten. Das flaggengeschmückte Städtchen mit seinem roten Herbstlaub und den vergoldeten Wirtshausschildern kam mir wie das Bühnenbild für ein Theaterstück vor, in dem ich im weißen Spitzenkleid die Rolle der Braut spielte. Bruno hatte über achtzig Gäste eingeladen, Geschäftsfreunde, Leute vom Kiwanis-Club, von der Offiziersgesellschaft, von Presse und Rundfunk.
    Die Abwesenheit meiner Eltern blieb natürlich nicht unbemerkt. Mit gefühlvollem Beben in der Stimme teilte Bruno den Gästen mit, daß mein Vater schon lange an Herzbeschwerden litt und daß meine Mutter, die ihn aufopfernd pflegte, sich schmerzerfüllt dazu entschlossen habe, dem glücklichen Anlaß fern zu bleiben.
    Viele Jahre später sagte Franca zu mir:
    »Wie schade, daß ihr auseinandergeht! Ihr wart so ein hübsches Paar. Aber eine Hochzeit ist wie ein Feuerwerk. Bunt, laut und teuer. Eine Illusion. Und wenn es ruhig wird, lernt man sich kennen. Hör auf zu weinen, l’Arlésienne! Daß man sich nicht mehr versteht, ist etwas sehr Durchschnittliches.«
    22

2. KAPITEL
    »W arum sind deine Eltern eigentlich nicht zur Hochzeit gekommen?« fragte Paul. »Paßte Bruno ihnen vielleicht nicht?«
    Wir lagen an Deck der »Stella« und sonnten uns. Der Himmel war tiefblau, Dunst schwebte über den Weinbergen. Das Wasser, kühl und durchsichtig, funkelte golden.
    Pauls Frage hing zwischen uns in der warmen, nach Sonnenöl duftenden Luft.
    Ich hob den Arm, bedeckte meine Augen mit der Hand.
    »Ich wollte sie nicht sehen«, sagte ich.
    »Was war denn zwischen euch?«
    Ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher