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Eine Nacht mit Folgen

Eine Nacht mit Folgen

Titel: Eine Nacht mit Folgen
Autoren: Anne Haven
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1. KAPITEL
Mai
    Er heiratete.
    Serena Jones saß in der letzten Bank der schönen alten Kirche in San Francisco und starrte zum Altar hinüber. Die Umrisse verschwammen vor ihren Augen, als sie den Bräutigam, Dirk Huntington Emerson III, den Mann ihrer Träume, betrachtete. Den Mann, den sie eigentlich selbst hatte heiraten wollen.
    Aber die Braut an seiner Seite war nicht Serena. Es war eine blauäugige, blonde Göttin, der Typ von Frau, neben dem normalsterbliche Frauen wie sie einfach verblassten.
    Ihr Kopf schmerzte. Sie hatte in der vergangenen Nacht kaum geschlafen. Ihre Augen brannten vor ungeweinten Tränen.
    Nein, dachte sie. Ich werde heute nicht weinen. Nicht hier. So schwach werde ich auf keinen Fall sein.
    Trotzdem öffnete sie die Handtasche und suchte nach einem der Taschentücher mit dem handgestickten Monogramm, die ihre Stiefmutter ihr letztes Weihnachten geschenkt hatte. Sie würde es in der Hand halten, man konnte ja nie wissen.
    Dirk sah so gut aus, so attraktiv in seinem Frack. Groß und dunkelblond zog er Serenas Blick wie ein Magnet auf sich. Sie hätte gern die Frau ignoriert, die neben ihm stand und zu der der Pfarrer jetzt sprach.
    O Gott, dachte Serena. Wie kann ich das zulassen? Wie kann ich Dirk diesen Fehler machen lassen?
    Und es war bestimmt ein Fehler. Elaine Richards, diese Kopie einer Barbie-Puppe, wäre nie in der Lage, ihn so zu lieben, wie sie es tat.
    Ein Bild stieg vor ihrem geistigen Auge auf: Dustin Hoffmann wie er am Ende von „Die Reifeprüfung“ die Kirche stürmte. Wie er gegen die Glastür klopfte und dann hinauf in den Chorstuhl rannte, um Katharine Ross' Hochzeit Einhalt zu gebieten.
    Er hatte es nicht zugelassen, dass die Frau, die er liebte, den falschen Mann heiratete.
    Plötzlich wusste Serena, dass auch sie etwas unternehmen musste.
    Sie war immer ein Mensch gewesen, der zugeschaut und im Leben eine passive Rolle eingenommen hatte. Aber dieses Mal musste sie reagieren. So viel stand auf dem Spiel, mehr als je zuvor. Sie musste sich jetzt zusammenreißen und das Richtige tun.
    Sie musste dieser Hochzeit ein Ende bereiten.
    Und es gab keinen Moment zu verlieren. Sie musste so schnell wie möglich zum Altar hinüber. Sie würde jetzt zu Dirk laufen und ihm endlich gestehen, was sie für ihn empfand.
    Serena erhob sich abrupt und wollte auf den Gang
    hinausgehen, als ihr plötzlich eine breite männliche Brust den Weg versperrte.
    "Oh!" stieß sie hervor.
    Dann hob sie den Kopf und schaute in die kühlsten, beeindruckendsten grauen Augen, die sie je gesehen hatte. Sie befanden sich in einem unglaublich gut geschnittenen, markanten Gesicht. Langsam fiel ihr Blick auf den sinnlichen Mund, um den noch nicht einmal der Anflug eines Lächelns lag, und glitt dann zu dem glatt rasierten energischen Kinn bis zu dem Knoten der dunkelroten Krawatte hinunter.
    Plötzlich wurde sie sich bewusst, dass sie immer noch Körperkontakt hatten, und sie trat verlegen einen Schritt zurück.
    "Entschuldigen Sie", murmelte sie.
    Der Fremde suchte ihren Blick. "Es tut mir Leid, aber ich kann das leider nicht zulassen", sagte er leise.
    Serena hörte die Entschlossenheit, die in seiner Stimme mitschwang, und erschauerte. Das war kein Mann, mit dem man Witze machen konnte. Er strahlte Unbeugsamkeit und Willensstärke aus, und irgendwie erinnerte er sie an einen Granitfelsen - kühler, harter grauer Granit.
    Nur der Duft entsprach diesem Bild nicht, bemerkte sie. Er war warm, sinnlich und männlich.
    So gar nicht wie ein Fels.
    "Hier." Der Mann legte eine Hand auf ihre Schulter und führte sie auf eine der Hintertüren der Kirche zu. "Ein bisschen frische Luft wird Ihnen gut tun, denke ich."
    Benommen folgte sie ihm in den kleinen Hof hinaus. Erst draußen wurde ihr richtig klar, was eigentlich geschah. Sie kannte diesen Mann nicht, hatte ihn noch nie gesehen, trotzdem hatte dieser unglaublich gut aussehende Fremde sie von ihrem Ziel ablenken können, Dirk von dieser Heirat abzuhalten.
    "Warten Sie mal einen Moment", murmelte sie und wandte sich halbherzig der Kirchentür zu.
    Aber sie wusste, dass es zu spät war. Sie spürte bereits, wie ihr Mut schwand. Selbst wenn sie jetzt wieder hineinginge, könnte sie nicht beenden, was sie angefangen hatte. Sie würde noch nicht einmal mehr den Versuch unternehmen, die Trauung zu unterbrechen, sondern einfach nur dastehen und zusehen, wie der Mann, den sie liebte, eine andere heiratete.
    Der Fremde berührte ihren Arm, sein Griff war sanft, aber
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