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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel
Autoren: Federica de Cesco
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schönes Restaurant zum Essen einladen. »Schließlich bin ich Julie eine Entschädigung schuldig! « Mein Vater hatte sofort gemerkt, daß Bruno, wie man sagt, »ernste Absichten« hatte. Die Gelegenheit hätte er sich nicht träumen lassen. »Ein netter junger Mann!« sagte er, kaum daß Bruno aus dem Haus war. »Ich an deiner Stelle würde ihn mir warmhalten!« Er lachte dabei, und meine Mutter nickte, die weißen Hände im Schoß gefaltet. Ich fühlte, wie erleichtert sie war. Dieser Schweizer kam wie gerufen, hoffentlich verschwand ich mit ihm auf die andere Seite der Alpen! Haß sammelte sich in mir an, wie dunkler Frost. Meine Hände wurden feucht, meine Knie verloren ihre Kraft und zitterten.
    Doch ich beherrschte mich, holte tief Luft und dachte: Worüber regst du dich auf?
    Zwei Tage später war Bruno wieder in Arles, brachte meiner Mutter einen Blumenstrauß mit, nicht ahnend, daß sie Blumen haßte, und lud mich ein, den Tag mit ihm zu verbringen. Ich wußte, was er wollte, und kam vor Panik fast um. Die Schreie meiner Kindheit steckten noch in mir, ich bewahrte sie auf, mit der Wunde zwischen meinen Beinen. Die Angst beschleunigte meinen Kreislauf, ich sehnte mich nach Schlaf, nach Dunkelheit und Vergessen.
    Doch ich zog eine frische Bluse und saubere Unterwäsche an und fuhr mit 15
    Bruno nach Saintes-Maries-de-la-Mer. Bruno hatte ein kleines Hotel am Strand ausgesucht. Wir saßen auf der Terrasse mit Blick auf den Strand. Die Ferienzeit hatte noch nicht begonnen, es waren nur wenige Touristen da. Bruno hatte für mich Trüffelsalat, Gänseleber mit grünem Spargel und Kalbsfilet bestellt, Gerichte, von denen ich nicht einmal wußte, daß es sie gab. Dazu tranken wir teuren Rotwein –
    ich nur ein halbes Glas. Inzwischen erzählte Bruno von sich. Er brauchte gewichtige Worte, die er zu wohlklingenden, unterhaltenden Sätzen formte. Sein methodisches Denken wirkte beruhigend. Er strahlte Selbstsicherheit aus; es klang, als ob er über das Leben Bescheid wüßte. Ich hörte zu, lächelte an den richtigen Stellen. Nachdem er mir eine Stunde lang das Gefühl seiner eigenen Bedeutung vermittelt hatte, sagte er plötzlich:
    »Aber ich bin nicht interessant – erzähl von dir!«
    Von mir? Meine eigene Welt hatte ich bereits aufgegeben. Mein Leben reduzierte sich auf einige Bruchstücke, und das Wesentliche mußte ich ihm verschweigen.
    »Ich habe gerade Abitur gemacht. Im Oktober gehe ich nach Montpellier. Ich will Japanologie studieren.«
    Er lachte wie bei einem guten Witz.
    »Wie kommst du ausgerechnet darauf?«
    Ich wandte die Augen ab.
    »Es interessiert mich.«
    »Das solltest du dir aber reiflich überlegen«, meinte Bruno. »Japanologie!
    Wohin führt das denn? Wie wär’s, wenn du mit mir in die Schweiz kommen würdest? Ein begabtes Mädchen mit Abitur findet sofort einen interessanten Job.
    Ich helfe dir.«
    Er hatte viele Freunde und alle in leitender Stellung; er wollte nachfragen, ob jemand eine Mitarbeiterin brauchte.
    Ich bedankte mich und sagte, daß ich darüber nachdenken würde. Das Meer roch nach Tang, die Sonne blendete. Bruno hatte seine Krawatte gelockert und seine Jacke über die Stuhllehne gehängt. Wir tranken schwarzen, starken Kaffee, und Bruno rauchte eine Zigarette. Als er meine Hand streichelte, biß ich die Zähne zusammen. Aber ich zog die Hand nicht weg.
    Das Zimmer war klein und nur mit einem Waschbecken versehen. Die Wände waren mit rosa Blümchentapete überzogen. Auf dem Bett lag eine blaue Steppdecke, die muffig roch. Eine Schirmwand verbarg ein Bidet auf einem zweckmäßigen Linolbelag.
    »Sehr französisch!« kommentierte Bruno.
    Er hatte die Vorhänge zugezogen und zur Sicherheit noch die Rolläden heruntergelassen. Das Bett war zu eng, die Matratze knirschte. Bruno lag mit seinem ganzen Gewicht auf meinem vollen Magen. Ich versteifte mich in seiner Umarmung, reglos, von stummen Schreien erfüllt. Du wirst es ertragen, du kannst 16
    es ertragen. Schlimmer als damals wird es nicht sein. Inzwischen erforschten Brunos Hände meinen Körper, massierten schmerzhaft meine Brüste. Er murmelte, daß ich herrlich gebaut sei, schön wie eine Brunnenfigur. Er führte meine Angst und Verkrampftheit auf Unerfahrenheit zurück. Ich rollte mich auf die Seite, zog die Beine an, ohne es zu wagen, zu stoßen. Mich befiel eine sonderbare Gelähmtheit, fast wie ein Starrkrampf, während er meinen Körper in die richtige Stellung schob und wie bei einer athletischen Übung dabei
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