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Flamme der Leidenschaft - Roman

Flamme der Leidenschaft - Roman

Titel: Flamme der Leidenschaft - Roman
Autoren: Lydia Joyce Eva Malsch
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Prolog
    Februar 1860
     
     
    S chaudernd zog Maggie den verrußten Schal enger um ihre schmalen Schultern, als sie sich hinter Johnnys breiter, kräftiger Gestalt duckte.
    Über der Stadt lag dichter Nebel, der sie zu ersticken drohte und die Rauchwolken aus den Schornsteinen hinabdrückte. Beklemmend wirbelte der Rauch unter dem Gewicht des braunen, atemlosen Himmels durch die Straßen. Es war ein schwarzer, ein mörderischer Nebel. In dieser Woche hatten Maggie und die anderen Straßenkinder jeden Morgen, nachdem Johnny sie mit Fußtritten geweckt hatte, Ruß gehustet. An diesem Morgen hatte Moll sogar Blut gespuckt.
    Die Dämmerung war ein unerfülltes Versprechen gewesen, ein schwacher Lichtstreifen, ein schmutziges Halbdunkel, das die schwarze Nacht durchdrang, aber wenige Stunden später war es wieder erloschen, weil die Dienstmädchen in der ganzen Stadt die Kohlenfeuer geschürt hatten. Nun ballte sich der Rauch erneut, sank herab, und mit dem Nieselregen rieselten große Schneeflocken aus Ruß auf die Straßen. Wie üblich patrouillierten Streifenpolizisten. Um
zehn Uhr schwenkten sie immer noch ihre Bullaugen-Laternen. Paarweise erledigten die Lampenanzünder ihre Arbeit und hinterließen eine Spur aus schwefelgelben Lichtkreisen, die nichts weiter beleuchteten als den Nebel.
    Jetzt musste es vier Uhr sein, schätzte Maggie. Das verrieten ihr knurrender Magen und die verfrühte Abenddämmerung, die schon bald in eine unnatürliche Nacht übergehen würde. Johnny stand am Fuß einer Straßenlampe vor dem Brückengeländer und richtete das Licht seiner gestohlenen Laterne in die braune Suppe, wo es verschluckt wurde, wo nichts zurückleuchtete.
    Nie zuvor hatte Maggie eine so qualvolle Angst empfunden, denn Johnny wollte einen Mann sterben sehen. Und sie sollte dafür sorgen, dass er starb.
    Ihr Handgelenk schmerzte vom Gewicht der Pistole. Mit ihrer freien Hand hielt sie den Schal zusammen, um die Waffe zu verbergen, die Johnny vorhin geladen hatte. Die Pistole war neu, das glänzende Metall von Ruß getrübt, und so groß, dass Maggie den Lauf umklammern musste, damit ihre kleinen Finger den Abzug erreichten.
    »O ja, dieser Danny ist verdammt gemein«, hatte Johnny verkündet und ihre Furcht genossen. »Alle meine Gehilfen müssen ihre Pflicht tun. Sonst werden sie nicht in meine Truppe aufgenommen. Da gibt’s keine Ausnahmen, obwohl du ein Mädchen bist.«
    Maggie wollte sich seiner Truppe nicht anschließen. Doch sie hatte keine Wahl. Entweder arbeitete sie für ihn, oder sie wurde seine Rivalin. Und was mit seinen Rivalen geschah, wusste sie. Ein Pistolenschuss auf einer Brücke
oder ein Messer in einem Eingang, und ein armes Straßenkind hauchte sein Leben aus, weil es ebenso wenig wie Maggie Blut vergießen mochte. Wäre sie bloß keine Diebin geworden. Dafür eigneten sich nur Jungen. Dann hätte Johnny niemals herausgefunden, wie gut sie mit Türschlössern umgehen konnte. Und sie müsste diesem Mann nicht auflauern, den sie kaum kannte. Aber das war immer noch besser als die Hölle, in der so viele andere Mädchen lebten. Beklommen erinnerte sie sich an Sallys Gesicht, das vor ein paar Tagen zu Brei geschlagen worden war, erst von einem Freier, dann von Johnny. Fast noch schlimmer war die stumme, blicklose Resignation in ihren Augen gewesen.
    »Jetzt höre ich was«, zischte Johnny und klappte den Deckel über seine Laterne. Bedrückendes Dunkel umgab die Straßenlampe, unter der sie standen, die Welt war auf einen Lichtkreis reduziert, dessen Durchmesser höchstens Maggies doppelte Armeslänge betrug.
    Im Schutz des Schals umfasste sie die Waffe noch fester. Trotz der Finsternis herrschte reges Leben in der Stadt. Viermal hatten sich die Geräusche von Schritten als falscher Alarm entpuppt.
    Jemand näherte sich und pfiff eine Melodie, die sie kannte - ihre Lieblingsarie aus einer Oper, deren Premiere vor zwei Tagen stattgefunden hatte. Spielerisch, fast fröhlich durchdrang die gepfiffene Version den Nebel, die Schritte des Interpreten trommelten beschwingt auf das Pflaster.
    Nein, das konnte nicht der Mann sein, den sie töten sollte, nicht dieser Mann, der Opernarien pfiff.

    Nun trat er ins dumpfe orangegelbe Licht, sie sah einen sorgsam gestutzten Schnurrbart, eine Augenklappe, flachsblondes Haar unter einem Filzhut.
    »Jetzt!«, fauchte Johnny, packte ihren Arm und schob sie nach vorn.
    Sie hob die Waffe, las die Verblüffung in Dannys Miene, den Triumph in Johnnys Gesicht. Und sie
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