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Silbermantel

Titel: Silbermantel
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Neuigkeiten, Brock.«
    Brock sah ihn an. Dann sagte er: »Ich möchte Eure Bürde nicht noch schwerer machen, aber ich muss Euch mitteilen, dass das, was Ihr glaubt, nicht der Wahrheit entspricht. Kaen regiert in Banir Lok, aber er ist nicht der König.«
    Matt hob die Hand. »Willst du damit behaupten, er habe nicht am Ufer Calor Dimans geschlafen?«
    »Ja. Wir haben einen Herrscher, aber keinen König, es sei denn Euch, Herr.«
    »Oh, bei Seithrs Gedenken!« rief Matt Sören. »Wie tief sind wir gesunken?«
    »Sehr tief«, flüsterte Brock heiser. »Sie haben schließlich doch noch den Kessel gefunden. Sie haben ihn gefunden und mit zurückgebracht.«
    An seiner Stimme war etwas abzulesen; etwas Entsetzliches. »Ja?« Matt wollte mehr erfahren.
    »Sie mussten einen Preis dafür zahlen«, flüsterte Brock. »Kaen hatte am Ende Hilfe nötig.«
    »Ja?« wiederholte Matt.
    »Ein Mann kam daher. Metran lautete sein Name, ein Magier aus Brennin, und gemeinsam entfesselten er und Kaen die Kräfte des Kessels. Kaens Seele war, denke ich, zu diesem Zeitpunkt bereits gänzlich verwirrt. Die Sache hat ihren Preis, und er hat ihn gezahlt.«
    »Was für einen Preis?« fragte Matt Sören. Kim wusste es. Der Schmerz raubte ihr beinahe den Verstand.
    »Er hat den Wachtstein von Eridu zerbrochen«, erklärte Brock, »und den Kessel an Rakoth Maugrim ausgeliefert. Wir haben es getan, mein König. Die Zwerge haben den Entwirker befreit!« Und indem er sich den Umhang über das Gesicht zog, weinte Brock, als solle ihm das Herz brechen.
    Inmitten des Tumults, der sich nun erhob, des Entsetzens und der Wut, drehte Matt Sören sich langsam, ganz langsam um, so als sei die Welt ein friedlicher, stiller Ort, und sah Loren Silbermantel an, der seinen Blick erwiderte.
    Wir werden unsere Schlacht bekommen, hatte Loren am gestrigen Abend gesagt. Keine Angst. Und nun war auf grauenvollste Weise offenbart worden, wie diese Schlacht aussehen würde.
     
    Der Kopf wollte ihr zerspringen. In ihrem Gehirn kam es zu grellweißen Detonationen. Gleich würde sie schreien.
    »Was hast du?« flüsterte neben ihr eine besorgte Stimme. Eine Frau, aber nicht Sharra. Es war Jaelle, die neben ihr kniete. Sie litt zu große Qualen, um darüber erstaunt zu sein. Sie stützte sich auf die andere Frau und flüsterte mit hoher, angestrengter Stimme: »Weiß nicht. Mein Kopf. Als ob – da etwas drüber herfällt – ich kann nicht –«
    »Mach die Augen auf«, befahl Jaelle. »Sieh den Baelrath an!«
    Sie gehorchte. Der Schmerz machte sie fast blind. Aber sie konnte den Stein an ihrer Hand in rotem Feuer pulsieren sehen, im Rhythmus der Explosionen hinter ihren Augen pulsieren, und als sie hineinblickte, die Hand dicht vor dem Gesicht, sah sie darin etwas, ein Gesicht, einen Namen, geschrieben in feurigen Lettern, eine Kammer, eine Zusammenrottung der Finsternis, des Bösen, und »Jennifer!« schrie sie auf. »Oh, Jen, nein!«
    Sie sprang auf. Der Ring war ein unbändiges, brennendes, unkontrollierbares Ding. Sie taumelte, doch Jaelle stützte sie. Kaum wissend, was sie da tat, schrie sie ein zweites Mal auf: »Loren! Ich brauche dich!«
    Kevin war an ihrer Seite. »Kim? Was ist?«
    Sie schüttelte den Kopf, schreckte vor seiner Berührung zurück. Die Schmerzen raubten ihr die Sinne; sie konnte kaum noch sprechen. »Dave«, rief sie mit krächzender Stimme. »Paul. Komm … der Kreis! Jetzt!« Die Zeit war so knapp. Sie schienen sich allesamt so langsam zu bewegen, und Jen, Jen, o Jen. »Kommt endlich!« schrie sie ein zweites Mal.
    Dann waren die anderen bei ihr, die drei, und Loren und Matt gesellten sich, ohne zu fragen, zu ihnen. Und sie hob erneut die Hand mit dem Ring, ganz instinktiv, und öffnete sich, öffnete ihre Seele, drängte sich zwischen den Klauen des Schmerzes hindurch, bis sie Loren fand und Verbindung mit ihm aufnahm, und dann – oh, ein Gottesgeschenk – war auch Jaelle dabei, zapfte um ihretwillen Avarlith an, und mit diesen beiden als Ballast, als Fundament, sandte sie ihren Geist, ihre Seele aus bis an die fernsten, undenkbarsten Grenzen. Oh, weit hinaus, und dazwischen lag so viel Böses, so viel Hass und, oh, so große Macht in Starkadh, nur darauf aus, sie aufzuhalten.
    Dort aber fand sich auch ein winziges Licht. Ein ersterbendes Licht, beinahe schon erloschen, und dennoch war es da, und Kim streckte sich mit aller Kraft, mit ihrem ganzen Sein nach diesem verlorenen Eiland des Lichtes aus, und sie fand Jennifer.
    »Oh, Liebes«,
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