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Silbermantel

Titel: Silbermantel
Autoren: Guy Gavriel Kay
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sollten sich zwischen Kaens Wünschen und den meinen entscheiden, welche darin bestünden, den geheimnisumwitterten Gegenstand dort zu lassen, wo er im verborgenen lag, statt dessen die veralteten Zaubersprüche und Mächte aufzugeben und uns dem Licht zuzuwenden, das mir am See offenbart worden war.
    Nach mir sprach Kaen. Er brachte vieles vor. Mir liegt nicht daran, seine Worte vor –«
    »Er hat gelogen!« rief Brock hitzig. »Er hat gelogen, und er hat wieder gelogen!«
    Matt zuckte die Achseln. »Aber er hat seine Sache gut gemacht. Am Ende entschied die Gerichtsversammlung der Zwerge, er solle die Erlaubnis erhalten, mit seiner Suche fortzufahren, und obendrein stimmten sie dafür, dass all unsere Energien darauf verwandt werden sollten, ihn zu unterstützen. Da habe ich mein Zepter von mir geworfen«, sagte Matt Sören. »Ich habe den Gerichtssaal verlassen und die Zwillingsberge, und habe geschworen, nie mehr zurückzukehren. Sollten sie doch den Schlüssel zum Rätsel dieses geheimnisvollen Gegenstands suchen, aber nicht, solange ich unter dem Banir Lok König war.«
    Gott, tat das weh. Sie hatte das Gefühl, als sei ihre Haut viel zu straff. Ihr Mund war ausgetrocknet. Sie presste die Fäuste gegen ihre Augen und bewegte den Kopf so wenig wie möglich.
    »Auf meiner Wanderung über die Berge und die bewaldeten Hänge«, fuhr Matt fort, »traf ich während jenes Sommers Loren, der damals noch nicht Silbermantel hieß, geschweige denn ein Magier war, obwohl er seine Lehrzeit schon beendet hatte. Was zwischen uns vorgefallen ist, geht nach wie vor nur uns beide an, aber am Schluss habe ich ihm die einzige Lüge meines Lebens erzählt, denn mit diesem einen Thema waren Qualen verbunden, die ich allein zu erleiden entschlossen war.
    Ich erzählte Loren, ich sei frei und könne zu seiner Quelle werden, ich hätte keinen sehnlicheren Wunsch. Und in der Tat war in unsere Begegnung etwas Besonderes verwoben. Die Nacht am Calor Diman hatte mich gelehrt, das zu erkennen. Und noch etwas hatte sie mir gegeben – etwas, das ich verschwiegen habe. Loren konnte nichts darüber wissen. In der Tat habe ich, bis ich Kimberly kennen gelernt habe, immer geglaubt, niemand außer einem Zwerg könne darüber Bescheid wissen.«
    Kim hob den Kopf, und die Bewegung verursachte ihr stechende Schmerzen. Aber nun ruhten bestimmt aller Augen auf ihr, daher machte sie die ihren einen Moment lang auf und versuchte, die Übelkeit zu verbergen, die sie überkam. Als sie sich unbeobachtet glaubte, schloss sie sogleich wieder die Augen. Schlimm war das, und wurde noch schlimmer.
    »Wenn der König den Bund mit dem Kristallsee eingeht«, erläuterte Matt soeben mit gedämpfter Stimme, »dann ist er auf ewig gebunden. Die Verbindung lässt sich nicht durchbrechen. Er kann gehen, aber er ist nicht frei. Der See ist in ihm wie ein zweiter Herzschlag und hört niemals auf, nach ihm zu rufen. Am Abend lege ich mich nieder und kämpfe dagegen an, und des Morgens stehe ich auf und kämpfe dagegen an, und das Gefühl begleitet mich durch den Tag und den Abend und wird mich begleiten, bis ich einmal sterbe. Dies ist meine Bürde, und sie gehört mir allein, und ich möchte euch wissen lassen, sonst hätte ich nicht vor euch gesprochen, dass ich sie freiwillig auf mich genommen und es nie bedauert habe.«
    Der Große Saal war in Schweigen gehüllt, während Matt Sören sie einen nach dem anderen mit seinem einen dunklen Auge herausfordernd musterte. Alle außer Kim, die es nicht einmal schaffte, hochzublicken. Inzwischen fragte sie sich ernsthaft, ob sie wohl demnächst in Ohnmacht fallen würde.
    »Brocks«, schloss Matt nach einer Weile seine Ausführungen, »du hast Neuigkeiten für uns. Bist du in der Lage, sie uns jetzt mitzuteilen?«
    Der andere Zwerg sah ihn an, und Kevin kam angesichts der wiedererlangten Fassung, die sich in seinen Augen spiegelte, auf einen zweiten Grund, warum Matt als erster und in aller Ausführlichkeit gesprochen hatte. Er war nach wie vor tief erschüttert von Sörens Geschichte, und es glich einem Echo seiner eigenen Gedanken, als er Brock leise fragen hörte: »Mein König, wollt Ihr nicht zu uns zurückkehren? Vierzig Jahre ist das jetzt her.«
    Doch diesmal war Matt vorbereitet; das sollte ihm nur einmal passieren, dass er seine Seele entblößte. »Ich bin«, stellte er entschieden fest, »die Quelle Loren Silbermantels, des Ersten Magiers im Großkönigtum Brennin. Kaen ist König der Zwerge. Nun erzähle deine
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