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Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Die Verstummten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Verstummten: Thriller (German Edition)
Autoren: Stephanie Fey
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1.
    Düsseldorf-Oberkassel, 1 . April 1991
    Das Gras raschelte, als Salamander sich vor den Gartenstuhl kniete und die Waffe ausrichtete.
    »Zu niedrig«, zischte er.
    Iris reichte ihm ein Handtuch als Unterlage, das sie von einer Wäscheleine geklaut hatte. Er steckte das Magazin auf, und es klickte, als er entsicherte.
    Ob Salamander durch die dichten Zweige der Alleebäume, dreiundsechzig Meter bis zum Ziel, überhaupt etwas erkennen konnte? Sie spähte durch das Fernglas, zoomte auf das Paar, das in der Küche miteinander redete. Was würden die beiden tun, wenn sie wüssten, dass das ihre letzten gemeinsamen Minuten waren? Würden sie sich noch einmal berühren? Was würden sie sagen? Erleichterten Worte das Ende, oder bedeutete Sprache dann ohnehin nichts mehr?
    Iris drückte auf ihre Quarzuhr. Gleich. Ein süßlicher Geruch umwehte sie, sie wandte sich um. Einbildung, nichts weiter. Manchmal, wenn sie einen neuen Auftrag ausführte, glaubte sie, der Geruch der früheren Opfer wäre in ihre Poren gedrungen und strömte aus ihr hervor, wie ein altes Parfüm, das sie nicht mehr losbrachte. Sie schluckte dagegen an. Im Schritttempo fuhr eine Streife vorbei und hielt mit laufendem Motor vor dem Haus. Wenn die Beamten ausstiegen, um die Zielpersonen zu warnen, war die Sache gelaufen. Jetzt hieß es abwarten. Vor Anspannung schliefen ihr die Zehen ein. Vorsichtig, möglichst ohne Geräusch, hob sie die Füße in den Sicherheitsstiefeln ein wenig und wackelte mit den Zehen, um das Ameisenkribbeln zu vertreiben. Salamander bewegte sich nicht; wie um seinem Tarnnamen alle Ehre zu machen, war er mit dem Rasen verschmolzen.
    Endlich gab die Polizei wieder Gas und fuhr weiter. Es dauerte noch eine Weile, bis hinter dem Fenster im ersten Stock eine Gestalt erschien. Salamander schoss. Die erste Kugel durchschlug die Scheibe und drang in die Wirbelsäule des Mannes. Augenblicklich sank er zusammen. Die zweite Kugel traf seine Frau, die herbeigelaufen war. Ohne Worte erhob sich Salamander und überließ Iris den Platz. Vor dem Gartenstuhl kauernd, legte sie den Zeigefinger auf den Abzug und blickte durch das Zielfernrohr zum Fenster. In vierundzwanzigfacher Vergrößerung suchte sie den Raum hinter der zersplitterten Scheibe ab. Nichts rührte sich. Oder doch? Sie drückte ab, schoss ins Regal. Ein paar Bücher flatterten heraus.
    »War noch was?«, fragte Salamander.
    »Nur eine Fliege.« Sie sammelte die Patronenhülsen auf und ließ andere, mitgebrachte, dafür ins Gras fallen. Dann zerlegte sie die Waffe in zwei Teile, drehte den Lauf im gefrorenen Gras, um ihn abzukühlen. Das Magazin gab sie Salamander, den vorderen Teil der Waffe schob sie sich vorsichtig zwischen die Brüste und verbarg ihn so unter der Polizeiuniform.

Freitag
    Zwei Stunden nach dem Ursprung
    Der Mensch ist das einzige Geschöpf,
    das sich weigern kann zu sein, was es ist.
    Albert Camus

2.
    »Hast du Schmerzen?«, fragte Carina.
    Ihr Vater winkte ab, ließ sich in Zeitlupe auf dem Beifahrersitz seines Autos nieder und schaffte es nur unter Mühen, den Gurt zu packen und über die rechte Schulter zu ziehen. Die Schussverletzung in der Hüfte, die ihm sein ehemaliger Arbeitskollege Krallinger vor zehn Monaten zugefügt hatte, bereitete ihm immer noch Probleme. Carina legte seinen Walkingstock, bei dem er die Schlaufen abgeschnitten hatte, auf die Rückbank und half ihrem Vater den Gurt festzustecken.
    »Weißgrau gestreiftes Stehkragenhemd zur dunkelblauen Jeans, schick siehst du aus.«
    »Findest du?« Er zupfte an der Bügelfalte über den Knien herum. »Ich hab das Bügelwasser nicht gefunden und die Hose stattdessen mit Leitungswasser besprengt, jetzt ist alles noch etwas feucht.«
    Sie schnupperte. »Ein neues Aftershave? Da wird sich Ma…, ich meine Silvia freuen«, korrigierte sie sich schnell. Noch immer fiel es ihr schwer zu akzeptieren, dass Silvia nicht ihre richtige Mutter war. Einunddreißig Jahre lang hatte sie das geglaubt. Wer konnte sagen, ob sie es jemals erfahren hätte, wenn Matte nicht angeschossen worden wäre.
    »Na, dann los.« Sie rutschte mit dem Sitz vor, stellte den Rückspiegel ein und verschaffte sich einen Überblick über die Schalthebel. Der Sitz lag tiefer als im Peugeot ihrer Kollegin Susanne Schmetterer, deren Auto sie sich ab und zu auslieh, wenn sie zu einem rechtsmedizinischen Gutachten aufs Land fahren musste. Carina wunderte sich, wie ihr Vater, der nur zwei Zentimeter größer als sie war, über die
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