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Sieg des Herzens

Sieg des Herzens

Titel: Sieg des Herzens
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Sie ergriffen das Herz und füllten es mit Sehnsucht nach Licht, nach Luft, nach Blumen und nach Sonne.
    Es gibt aber auch einen heroischen Teil Walthers. Und dieser weckte in dem Jüngling den schlummernden Keim des Nationalgefühls, die Liebe zum Vaterland.
    Dietmar von Eist, Der von Kürenberg, Spervogel, Heinrich von Veldeke, Hartmann von der Aue, Reinmar der Alte, sie alle, alle sagten ihm die Reinheit der Liebe und lernten ihn die Frau verstehen mit der Seele.
    Du bist mîn, ich bin dîn:
des solt dû gewis sin.
Du bist beslozzen
in mînem herzen;
verloren ist dez slüzzelîn:
dû muost immer drinne sîn.
    So las er seine Nächte durch, und tagsüber, wenn die Klosterpflichten ihn riefen, war seine Freude auf den Abend die einzige, die ihn die harte, ihm ganz und gar nicht mehr behagende Schule der Frömmigkeit ohne Murren ertragen ließ.
    Im Anschluß an die Minnelieder enthielt das Buch die großen Epen und Heldengedichte, in denen die ganze Kraft, der Wille zur Macht und die Stärke germanischen Volkstums geschildert wurden. Der Parzifal des Wolfram von Eschenbach, der Tristan des Gottfried von Straßburg, die gewaltigen Helden- und Völkerschicksale des Nibelungen- und Gudrunliedes schlugen ihn in ihren Bann. Er lebte die Helden Siegfried, Dietrich von Bern, Rüdiger von Bechlarn und Herwig in Gedanken nach. Es reifte sein Geist, bereit, nun zum letzten Wissen vorzudringen. Zum erstenmal formte sich der Gedanke, einmal im Leben ein solches Werk selbst zu schreiben, zu ringen um die Form, den Inhalt und den tiefen Sinn der Dichtung.
    So war in ihm gesät worden die Saat des Dichters, der in Gedanken bereits die Zukunft herbeisehnte und beschwor.
    Im Kloster herrschte unterdessen eitel Freude. Die lerngeröteten Backen des Jünglings wurden von den Mönchen für das sichtbare Zeichen der Kraft ihrer Worte und Ermahnungen gehalten, und der Abt Hieronymus ersann neue Formen pädagogischer Kleinarbeit, die er, als Wissenschaft bezeichnet, in einem dicken Band über moderne Erziehung der Nachwelt zu erhalten begann.
    »Man muß physiologisch vorgehen«, meinte er, womit er den seit langem gesuchten Stein der Weisen gefunden zu haben glaubte. Er war stolz auf sein Werk, das er von der ersten Zeile an für unsterblich hielt.
    Inzwischen saß der ›bekehrte‹ Zögling in seiner Zelle und las Homers Ilias und die Odyssee, berauschte sich an den Götterhymnen und neigte sein Haupt vor den gewaltigen Schicksalsdramen des Äschylos, des Sophokles und des Euripides. Er bewunderte die Orestie, litt mit König Ödipus, fluchte mit der grausamen Medea, weinte mit der holden, unglücklichen Antigone und schauderte vor den Schlangenhäuptern der Eumeniden. Er bejubelte die Komödien des Aristophanes, litt Durst und Hunger bei der Lektüre der Anabasis des Xenophon und kicherte und berauschte sich an Plautus' Satiren und Ovids Liebeskünsten. Er vertiefte sich in die Reise- und Erlebnisschilderungen des Caesar, in die Chroniken des Livius und des Tacitus, und er war nach dem Genuß der Reden des Cicero erfüllt von Feuer und edlem Tatendrang.
    Doch immer wieder griff er zu Sophokles und seinen beiden berühmten Dramatikerbrüdern, las immer und immer wieder die Chöre und Gesänge, die Monologe und schicksalsschweren Dialoge und begann im Inneren zu fühlen, daß sein Wille herrischer denn je danach verlangte, zu opfern, rückhaltlos, ohne Bedenken, völlig – denn nur aus dem Opfer für die Kunst erwächst die Kunst.
    In der Nacht zu seinem Geburtstag begann der Achtzehnjährige sein erstes Drama: DER FEUERFLUG.
    Freiheit braucht die Seele, Luft
zu atmen die Natur, des Lebens
zu eng begrenzten Raum mit Kraft
zu sprengen. Brust, o edler Schild
des Mannes, die des Speeres Flug
auffängt und röchelnd noch
ein Sieger über Tod und Schmerzen ist,
brich deine Ketten, die den Drang
nach Freiheit knebeln, jetzt entzwei.
    Ein Schrei war das, der Schrei eines Herzens nach Sonne, nach Leben, der Drang, hinauszurennen aus diesem Moder der Klostermauern in die Weite der grünen, sprießenden, jubelnden Natur. Und waren diese ersten Verse noch unreif, unfertig, so erregten sie dennoch einen gewaltigen Aufruhr, als Hieronymus im Zuge einer eingehenden Visite in der Zelle des Jünglings sie zwischen den heiligen Blättern der Bibel entdeckte.
    Zuerst wurden ihm die Knie weich ob dieses deutlichen Bekenntnisses, dann aber schwoll der Zorn in ihm wie ein Bach nach der Schneeschmelze. Erbost kramte er in den Büchern des Jünglings, fand
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