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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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nicht ganz, er sagte: »Man muss in solchen Zeiten und Entscheidungssituationen die gute durchgehende Grundlinie seines Lebens wahrnehmen. Jeder Mensch hat schon erlebt, wie er durch schwierige Krisenzeiten hindurchgekommen ist. Da gab es Hilfe von außen, da gab es aber auch – und das wird wichtiger sein – Hilfe aus dem eigenen Leben von innen her. Man muss sich daran erinnern: Was war da, in dieser schwierigen Situation in meinem eigenen Wesen, das mir geholfen hat, durchzuhalten? Jeder hat in sich einen guten Grundzug, eine gute Grundleitlinie, Grundlage seines Wesens. Diesen tiefsten guten Grundzug erspüren und aufkommen lassen und darauf zu leben versuchen – das ist es.« 7
    Dies ist ein Auszug aus einem Text von Bours »Die gute Kraft in schweren Zeiten«. Ich kannte in meinem alten Leben weder den Verfasser, noch dessen Werk. Was schwere Zeiten sind, wusste ich. Dachte ich damals zumindest. Kannte ich eine gute Kraft? Das kann ich heute nicht mehr sagen.
    Am 29. April 2009, mein neues Leben war gerade zwanzig Tage alt, ist mir dieser Text geschenkt worden.
    Stellvertretend für alle:
    »Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.« Schrieb Schiller in Wilhelm Tell. In diesem Sinne wünsche ich Dir Gesundheit. Zum Obenschwimmen, Krachenlassen und Wachsambleiben.
    Ich kannte Schiller. Und ich kannte das obige Zitat von ihm,das mich erreichte, als mein neues Leben schon etwas älter war, sich aber immer noch sehr neu anfühlte.
    Stellvertretend für alle:
    Gestern hat sich bei uns im Garten ein Maikäfer ans Licht gewagt. Wir hoffen und wünschen, dass auch Du bald aus dem Schatten zum vollen Licht zurückkommst.
    Dieser Wunsch kam zu mir in einer Zeit, als es eigentlich schon viel zu kühl für Maikäfer war. Glaube ich jedenfalls. Vielleicht war der, von dem hier die Rede ist, auch aus seinem Leben gefallen. Wenn das bei Maikäfern möglich ist. Aber warum sollte es das nicht sein?
    Stellvertretend für alle:
    Eine Karte. Abgebildet ist eine Flaschenpost. Darunter die aufgedruckte Zeile:
    Eine Nachricht für Dich. Sie wird Dich finden, wo immer Du bist.
    Auf der Rückseite ein schlichter Vorname. Ich denke an Dich. Geschrieben im Mai 2009.
    So viele Karten, Briefe, SMS, E-Mails, Grüße. Trostpost. Trostgedanken. Starke Seile. Ich verwahre sie weiter. Vielleicht für immer. Vielleicht kommt aber auch der Tag, an dem ich sie entsorge. So, wie wir alle alte Geburtstags- und Weihnachtsgrüße irgendwann entsorgen, weil wir sie nicht mehr brauchen. Weil ihre Zeit abgelaufen ist, ihre Aufgabe erledigt ist.
    Es hat natürlich auch Menschen gegeben, deren Reaktionen aus welchen Gründen auch immer wenig hilfreich, manchmal verletzend oder auch nur ignorant waren. Solche Menschen gab es in meinem alten Leben, es gibt sie in meinem neuen. Es gibt sie in jedem Leben.
    Ich war gerade draußen. In Frau Hoppes Wohnung sind alle Fenster geschlossen. Der Balkon ist fast leer. Bis auf die Hausschuhe. Wo, bitte sehr, ist Frau Hoppe?

Zusammenfassen macht Mühe
    Was außer den Menschen um mich herum hat mir noch beim Überleben geholfen?
    Sport, Bewegung, rausgehen, sich verausgaben, den Atem und das Herz spüren. Ablenkung. Und dabei den inneren Schweinehund an die Kette legen. Und zwar immer dann, wenn er fröhlich mit dem Schwanz wedelt. Und das tat und das tut er oft. Und er wedelt nicht nur mit dem Schwanz, er spricht auch. Wie in einem schlechten Trickfilm. Du kannst nicht. Sagt er. Du hast Angst und du weißt nicht, was dich dort draußen erwartet. Stellt er fest. Warte ab, bis es dir besser geht. Schlägt er vor. Zuckersüß. Und er weiß genau: Dieser Tag kommt nicht. Der innere Schweinehund lügt. Es wird keinen Morgen geben, an dem man aufwacht und alles fühlt sich wunderbar und wie früher an. Geschenke gibt es nicht, wenn man sich ein neues Leben zu erarbeiten hat. Am Anfang bleibt nur Überwindung. Das weiß der innere Schweinehund genau, aber er gibt es nicht zu. Er flüstert, es sei besser, zu grübeln und nachzudenken und sich vor der Welt zu verstecken. Am besten in des Herzens letzter, ärmster Kammer, um Rilke zu zitieren. Man darf dem Hund nicht glauben. Er gehört an die Kette, denn auf ihn zu hören, muss man sich leisten können. Ich konnte es nicht.
    Das Meer. Am Meer sitzen und wissen oder auch nur erahnen, dass es immer da war und immer da sein wird. Und dass es schon viele Leben gesehen hat. Alte und neue. Das Meer, das raunt: Du bist nicht der Nabel der
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