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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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Secondhandboutique, in der ich Frustkäufe tätigen kann, ohne mich finanziell komplett zu ruinieren. Denn diese Gefahr besteht natürlich bei einem krassen Missverhältnis zwischen dem Ausmaß an Frust und den finanziellen Verhältnissen der Frustrierten. Dank Christina habe ich Kleidung von mir dort verkaufen und den erzielten Gewinn umgehend reinvestieren können. Dank Christina bin ich auf diese Art und Weise kostengünstig an ein Paar silberne Prinzessinnen-Schuhe, einen Schal, lila, zwei Jacken und eine Weste, alles schwarz, gekommen. Und an eine neue Lederjacke. Meine alte liegt noch bei der Staatsanwaltschaft im Keller. Zusammen mit den anderen Sachen, die ich damals trug. Ich glaube nicht, dass ich sie jemals wiedersehen möchte. Das war ein wirklich guter Tipp, Christina.
    Irmgard ist mir erst in meinem neuen Leben vor die Füße gestolpert. Sie ist die erste Frau, die eine Freundin werden kann und wird, die mich aus dem alten nicht kennt. Und die mir daher das Gefühl geben kann, das neue sei schon immer da gewesen. Abgesehen davon habe ich Irmgard ein fundiertes Fußballwissen zu verdanken. Und die Erkenntnis, dass die Schweinis und Lahms dieser Welt auch nur Menschen sind. Und viel zu jung für den dritten Platz. Stimmt’s, Irmi?
    Janine hat mir immer dann einen Kaffee spendiert, wenn ich ihn am dringendsten gebraucht habe.
    Jan war da. Kompromisslos. Hartnäckig. Immer wieder hat er uns seine Hilfe und Unterstützung angeboten. Nie ermüdend. Wir haben sie nicht angenommen, nicht annehmen müssen, aber die Gewissheit, dass sie da ist, war ein stabiler Stock, an dem ich mich in den tiefsten Tälern festhalten konnte.
    Uwe hat uns in der Vorweihnachtszeit besucht und seine Geschichte vom Überleben erzählt. Respekt für das, was du geschafft hast, Uwe. Ähnliches gilt für die tapfere Edith. Wir drei zusammen, Uwe, Edith und ich, wir könnten den Club der Stehaufmännchen gründen.
    Und wenn es Probleme gibt mit meinen Zähnen, hat Dr. Ernst immer einen Termin für mich frei. Mich wie ein dicker Käfer hilflos auf dem Rücken in einem Zahnarztstuhl wiederzufinden, war schon immer ein Problem. Leider auch für die Person vorm Stuhl. Dr. Ernst weiß das, erträgt es und erspart mir deshalb in meinem neuen Leben den Weg zu einem Fremden. Ich wette trotzdem, dass er meine Karteikarte mit einem kleinen Totenkopf versehen hat und seine Augen seufzend gen Himmel wandern lässt, wenn er meinen Namen im Kalender liest. Er bestreitet das entschieden. Ich glaube ihm kein Wort.
    Martin hat immer wieder auf seine Frau verzichtet, auf ihre Verpflegung und ihre Pflege, damit sie sich um mich kümmern konnte. Und er hat trotz meiner unterirdischen Mathe-Kenntnisse nie an meiner Intelligenz gezweifelt. Im Gegensatz zu mir selber.
    Auch Silvia hat einen 100-Euro-Satz geprägt. Der ging in etwa so: »Ich hatte Angst, hierherzukommen. Aber es ist fast wie früher. Die alte Susanne blitzt durch. Die ist ja gar nicht weg.« Das war in meinem neuen Leben, als es noch sehr neu war. Silvia hatte etwas anderes gesehen als das, was ich morgens im Spiegel erblickte. Ich war so froh darüber.
    Martina ist nicht so gut im Erfinden von 100-Euro-Sätzen. Aber das macht nichts – sie backt nämlich den besten, angeblich auch kalorienärmsten Apfelkuchen überhaupt. Und sie ist die einzige ernst zu nehmende Scrabble-Gegnerin, die ich je hatte und je haben werde. Neues Leben hin und her – die Revanche, Tina, steht noch aus. Außerdem verstehe ich immer noch nicht, was genau du gegen das Wort »Tonigelfigur« einzuwenden hattest. Das hat mich eine Menge Punkte gekostet.
    Mich haben, kurz nachdem ich aus meinem alten Leben gefallen bin, zahlreiche Briefe und Karten erreicht. Ich war lange außerstande, zu antworten. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt längst vorbei. Aber: Ich habe jeden Brief, jede Karte verwahrt. Trostpost. Und zusammengenommen ergeben diese oft mutigen, nie nichtssagenden Worte starke Seile, die mich in der ersten Zeit im neuen Leben gehalten haben.
    Ein Beispiel. Stellvertretend für alle:
    Wir alle kennen Zeiten, in denen es so aussieht, als wanderten wir durch eine tiefe, dunkle Schlucht. Wir denken, lange kann es so nicht mehr weitergehen – ob ich noch einmal herauskomme? Einmal habe ich eine Zeit lang mit jemandem zusammenarbeiten können, bei dem ich erlebte, wie er eine schwere Zeit mit einer erstaunlichen Durchhaltekraft bestand. Später habe ich ihn einmal danach gefragt. Seine Antwort verstand ich zunächst
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