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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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gediegenen Dr. Achtermann gegenüber und schickte mich an zu erzählen. Ich weiß nicht mehr, was ich an diesem Tag und den folgenden erzählt habe. Ich erinnere mich nicht. Aber ich erinnere mich gut an den Ausblick auf den Fluss, daran, dass ab und zu frische Blumen auf dem Tisch standen und dass Dr. Achtermann ein gut gefülltes Buchregal besaß. Manche der Bücher kannte ich. Und ich habe mich gefragt, ob die Bücher der Dekoration dienen oder ob er sie braucht, um hin und wieder etwas nachzuschlagen. Ich habe mich auch gefragt, wie teuer die Wohnung wohl ist, ob Eigentum oder gemietet, wo Dr. Achtermann wohl studiert haben mag, wo er wohnt und vieles mehr. Keine dieser Fragen habe ich Dr. Achtermann jemals gestellt. Mir war klar, dass sich das nicht gehört.
    Ich war einige Male bei Dr. Achtermann und habe erzählt. Und zwar alles Mögliche, bunt durcheinander: von meiner Kindheit, meinen Eltern, meiner Schulzeit, meinem beruflichen Werdegang, von meiner Ehe Nr. 1, meiner Ehe Nr. 2, meinem Sohn, meinen Plänen, meinen Ängsten, meinen Hoffnungen, meinen Träumen. Besonders über meine Träume hat mich Dr. Achtermann sehr gerne berichten lassen. Natürlich war ich neugierig, wie sie zu deuten seien, aber das hat mir Dr. Achtermann nie gesagt. Irgendwann hat es keinen Spaß mehr gemacht, Träume zu erzählen und zu interpretieren – alles warirgendwie falsch und gleichzeitig auch ein bisschen richtig, aber nie ganz. Dr. Achtermann war nie wirklich zufrieden, so schien es. Nicht mit meinen Antworten, nicht mit meinen Träumen, nicht mit mir.
    Zu den Ängsten, die mich quälten und die ich mithilfe von Dr. Achtermann loswerden wollte, fiel ihm ein interessantes Bild ein, das er einmal auf einem Werbeplakat gesehen hatte: Ein Ritter in voller Montur sei mit einem Pferd auf einen relativ kleinen Drachen zugeritten, um ihn mit seiner Lanze zu töten. Nur der Betrachter habe aber sehen können, dass der Drache eine Handpuppe war – geführt von einem ungleich größeren Drachen, der tief in einer finsteren Schlucht auf sein Opfer, den Ritter, wartete. Ich sei der Ritter und der kleine Drache, die Handpuppe, sei meine Angst. Was er mir damit sagen wollte, der Herr Doktor? Er wollte sagen, meine Ängste, die mich zu ihm geführt hatten, seien nicht das Problem. Ich sei das Problem. Ich, der große Drache. Ich, hinterhältig in einer finsteren Schlucht lauernd, sei das zu behebende Übel. Dieses Bild hat mich nur kurzfristig amüsiert. Eigentlich hat es mich traurig gemacht.
    Dr. Achtermann hat, wenn er denn mal gesprochen hat, gerne Bilder, Sprüche, Geschichten benutzt, die ich leider oft nicht verstanden habe, die mich aber ins Grübeln gebracht oder manchmal, so wie das Bild der beiden Drachen, traurig, nie glücklich oder klüger, gemacht haben. Ich hatte weiterhin Angst, Wut, Zorn, Traurigkeit in mir. Ich konnte nicht schlafen. Ich musste Medikamente nehmen. Ich habe mein altes Leben vermisst. Das alles hat Dr. Achtermann nicht interessiert. Er wollte auch nie wissen, wie genau mein altes Leben zu Ende gegangen ist. Er ließ nur durchblicken, ich hätte es provoziert und gewollt. Zufälle gebe es nicht. Auch das hat mich traurig gemacht.
    Dr. Achtermann und ich trennten uns, nachdem er mir mitteilte, ich müsse nun fünfmal wöchentlich erscheinen, wenn ich gesund werden wolle. Ich müsse mich auch auf das gediegene Sofa legen, um gesund zu werden. Dabei sei es völlig egal, ob ich das wolle oder könne – so sei die Technik und er wisse, sie sei gut. Urlaub könne ich nur nach Abstimmung mit ihm und zu vorgegebenen Zeiten machen. Meinen Einwand, ich könne mich nicht in derartige Abhängigkeiten begeben, nannte Dr. Achtermann Abwehr: »Wollen Sie denn nun gesund werden oder nicht?« Als ich ihm sagte, dass ich mir nie mehr von einem Mann sagen lasse, wo ich mich hinzulegen habe, schwieg er einfach. Aber er sagte mir voraus, dass ich ohne seine Hilfe und seine Technik scheitern werde. Das System, mein System, sei schon seit langem zum Scheitern verurteilt. Ich hätte keine Chance.
    Ich habe mich bald von Dr. Achtermann verabschiedet. Ich brauchte und brauche keinen Psychoanalytiker. Ich brauche wenig, manchmal beispielsweise nur eine Flasche Olivenöl.

Olivenöl macht glücklich
    Kochen macht Spaß. Kochen ist meditativ. Kochen ist kreativ. Manchmal jedenfalls. Ich bin keine begnadete, aber auch keine schlechte Köchin. Nicht, dass ich mit Begeisterung täglich ein mehrgängiges, gesundes, ökologisch und
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