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Sieben Stunden im April

Sieben Stunden im April

Titel: Sieben Stunden im April
Autoren: Susanne Preusker
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ernährungsphysiologisch beanstandungsfreies Menü auftischen würde oder könnte, aber ab und an brutzele ich gerne und probiere hin und wieder ein neues Rezept aus, wobei ich aber auch gegen einen ­gepflegten Gang ins Restaurant nichts einzuwenden habe. Meine bevorzugte kulinarische Richtung liegt irgendwo zwischenitalienisch und thailändisch, die bodenständige deutsche Küche mag ich hingegen weniger. So habe ich zum Beispiel noch nie Kohlrouladen oder Schweinebraten gemacht. Ein Männeroberhemd habe ich übrigens auch noch nie gebügelt und da bin ich stolz darauf, aber das ist wieder ein anderes Thema. Jedenfalls ist es mit meinen allgemeinen hausfraulichen Fähigkeiten nicht so weit her. Dies bestätigt sich täglich aufs Neue und zeigt sich auch in meiner Art der Vorratshaltung.
    Öffne ich meinen Kühlschrank, findet sich immer Ketchup, Senf, Knoblauch und Licht. Der Rest kann da sein, muss aber nicht. Blicke ich in das Küchenregal, sehe ich immer Kaffee, Nudeln und gutes Olivenöl. Auch hier gilt: Der Rest kann dort stehen, muss aber nicht. Aus den genannten Zutaten lassen sich im Notfall immer Spaghetti aglio e olio zubereiten. Das geht schnell, ist unkompliziert und lecker. Ein Essen, das glücklich macht.
    Im Sommer des vergangenen Jahres, an einem Tag, als ich noch über der Drachengeschichte von Dr. Achtermann brütete, musste ich feststellen, dass ich kein Olivenöl mehr hatte … Gut. Ich gehe zum Edeka und kaufe eine Flasche Olivenöl. Nur Öl. Nichts sonst. Vielleicht noch Brot. Ich habe auch kein Brot mehr. Wir brauchen Brot und Olivenöl. Ich war noch nie in dem Laden. Na, und? Wie oft hast du schon Lebensmittel eingekauft? In allen möglichen Läden. Wo ist also das Problem? Ich kann nicht. Doch, ich will. Du musst. Das Olivenöl ist doch alle. Willst du etwa nie wieder im Leben einkaufen? Das ist doch albern. Stell dich nicht so an, verdammt noch mal. Ich kann aber nicht. Ich warte auf Wolfram und dann gehen wir zusammen. Ich hole ihn ab und dann gehen wir einkaufen. Olivenöl und Brot und alles andere, was fehlt. Nein, das tust du nicht. Du gehst los und kaufst ein. Alleine. Und zwar jetzt. Mir ist aber schlecht, ich fühle mich so benommen. Ich habe Angst. Ich kann nicht. Du machst mich w ahnsinnig! Geh jetzt los und kauf das verdammte Öl. Gut. Ich gehe. Nein, ich kann nicht. Ich kann nicht dahin gehen. Da sind fremde Menschen. Der Weg ist so weit. Ich kenne den Laden nicht. Ich war noch nie dort. Mensch noch mal – du warst in zig Lebensmittelgeschäften. Was soll in dem denn so anders sein? Ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich nicht kann. Doch, du kannst. Geh jetzt endlich. Ich fahre mit dem Auto. Dann geht es vielleicht. Ich nehme meine Medikamente mit, falls …. Falls was? Was soll denn passieren? Gut, dann nimm halt den Wagen. Ich könnte ohnmächtig werden, einen Panikanfall bekommen. Ach, das passiert schon nicht. Ich nehme den Wagen, im Auto fühle ich mich sicher. Aber es sind doch nur fünfhundert Meter. Ja, fünfhundert Meter auf der befahrenen Straße. Ich werde Menschen begegnen. Ich habe Angst. Fahr jetzt los. Fahr einfach los. Du weißt, das ist die einzige Möglichkeit. Fahr los. Jetzt.
    Ich bin mit dem Auto gefahren. Fünfhundert Meter mit dem Auto. Tunnelblick. Angst. Ich werde gleich in den Laden gehen. Ich habe geparkt …
    … Ich kann da nicht reingehen. Wie soll das funktionieren? Was, wenn ich an der Kasse in der Schlange warten muss? Was, wenn mich jemand anspricht? Was, wenn es keinen Notausgang gibt? Der Laden sieht klein aus. Er hat keine Fenster. Es wird dunkel sein. Nein, es ist nie dunkel in Edeka-Läden. Das weißt du. Millionen Menschen kaufen täglich ein. Millionen Menschen passiert dabei nichts. Das weißt du. Und wenn – du hast doch deine Medikamente und auch dein Handy dabei. Jemand wird dir helfen. Nein, niemand hilft mir. Ich kann mich nur auf mich selbst verlassen. Ich habe Angst. Ich habe feuchte Hände. Mein Mund ist trocken. Mir ist schwindelig, ich fühle mich benommen. Mein Herz rast. Ich kann da nicht hineingehen. Ich kann nicht. Du musst. Du brauchst Olivenöl. Und Brot. Du musst! Geh jetzt rein. Ich habe Angst. Ich habe solche Angst. Ich werde ohnmäch t ig werden. Wie komme ich da wieder raus? Wo ist der Notausgang? Gibt es einen Notausgang? Was, wenn nicht? Überall gibt es Notausgänge. Du bist doch nicht alleine da drin. Das ist doch das Problem! Wer ist da noch drin? Wer kauft da noch ein? Ich verliere den Überblick. Ich finde
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