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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich
Autoren: Amei Müller
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Herrschaften die ganze Familie
vorzustellen. Die Dame lehnte schaudernd ab. »Das fehlte mir noch!«
    Der Herr jedoch zeigte sich bereit, ein
Versöhnungsschnäpschen zu trinken. Kaum hatte der Rauschgoldengel dies
vernommen, so warf er seine blonden Korkenzieherlocken zurück, schnellte in die
Höhe, zischte »Jetzt reicht’s mir aber! Ich packe!« und rauschte hinaus.
    Wir am Tisch zogen die Köpfe ein,
kauten an unseren Brötchen und hörten Vera zu, die flüsternd berichtete, wie
Michael in der Nacht die Toilette aufsuchen wollte, statt der Zimmertür aber
die Schranktür erwischt hätte und in den Schrank getreten wäre. Dort hätte er
verzweifelt gegen Dunkelheit und Enge angekämpft und wäre schließlich ermattet
niedergesunken. Sie hätte ihn morgens schlafend im Schrank aufgefunden.
    »Was erzählst du da?« Michael war
wieder zu uns gestoßen. »Wie soll ich in einen Schrank treten, der überquillt
von deinen Kleidern? Du mußt geträumt haben, Liebes!«
    »Gut, daß er nicht auf die Toilette
gegangen ist«, ließ sich Fränzchen vernehmen, »da wäre er nämlich nicht
hineingekommen. Jette hat sie mit Beschlag belegt und ihre Kassetten heulen
lassen.«
    »Wie soll sich der Tag gestalten?«
fragte ich dazwischen, denn Henriette fuhr hoch wie eine gereizte Schlange.
    »Ja, also es regnet«, antwortete Michael,
»deshalb folgt Programmpunkt Numero zwei. Wir besichtigen den Staudamm und
Goslar. Ihr werdet hoffentlich Interesse für die Kaiserpfalz haben!«
    Die Begeisterung hielt sich in Grenzen,
denn draußen begann sich der Regen mit Schnee zu vermischen.
    »Wir fahren in einer halben Stunde mit
vier Autos. Zieht euch warm an!«
    Das hätte er uns nicht empfehlen
müssen, wir froren schon, wenn wir aus dem Fenster schauten.
    »Onkel Christoph, darf i bei dir
mitfahre?« Andreas liebte den lustigen Onkel zärtlich.
    »Wubbel will au!« meldete sich der
Kleine.
    »No will i da au mit nei!« sagte
Mathias.
    »Himmel, der reinste Kindergarten, und
alles in meinem Auto!« brummte Christoph, und dann mit voller Lautstärke und
einer Wendung zu seinem Bruder Stefan hin: »Dein Wubbel ist hoffentlich
stubenrein?«
    Es schwang in dieser Frage soviel
Vorwurf mit und Zweifel an Stefans Erziehungsbefähigung, daß dieser gekränkt
zusammenzuckte und die Frage unbeantwortet an den Bruder zurückgab.
    »Was denkst denn du?«
    Die beiden Brüder hatten Schwierigkeiten
miteinander, nicht nur jetzt, ach nein, von jeher waren sie sich ins Gehege
geraten. Im Sandkasten schon, wenn Stefan, vier Jahre alt, seine Sandburg
liebevoll und bedächtig festklopfte und der zweijährige Christoph schwanken
Fußes dahertorkelte und eben diese Burg aus Versehen niederwalzte.
    Oder wenn Christoph voll stolzer Freude
eine Armbanduhr herumzeigte, die man ihm geschenkt, und Stefan all seinen Stolz
in Scham verkehrte nur durch die Worte: »Pah, Pappe!«
    Sie lagen in jeder Hinsicht zu dicht
beieinander. Schliefen im selben Zimmer, bevorzugten dieselben Spielsachen,
liebten die gleichen Menschen und waren die schärfsten Konkurrenten
füreinander. Was Christoph besaß, das mußte auch Stefan haben, und was Stefan
erlaubt war, das wollte auch Christoph dürfen, also stritten sie miteinander
vom frühen Morgen bis zum späten Abend. Mit allen anderen Geschwistern jedoch
kamen sie gut zurecht, und wir liebten den drolligen kleinen Christoph genauso
wie den bedächtigen, wortkargen Stefan.
    Nach der Flucht, als wir alle in einem
Zimmer lebten und schliefen, versuchte meine Mutter die beiden Streithähne
soweit wie möglich voneinander zu trennen, damit sie uns durch ihr Gerangel
nicht um die Nachtruhe brächten. Sie wurden also in die beiden äußersten Betten
verfrachtet, zwischen ihnen lagen sämtliche Geschwister und die Eltern. Aber
die beiden konnten nicht einschlafen, warfen sich von einer Seite auf die
andere und entbehrten ihre abendliche Streitrunde derart, daß sie laut seufzen
mußten und wir mit ihnen. Am nächsten Abend bezogen sie die Betten
nebeneinander, zischten und zeterten ein Weilchen unter vorgehaltenen Decken
und schliefen dann sanft und selig.
    So spielten und stritten sie auch an
einem kalten Frühlingstag im Garten. Ein Bächlein namens Umfa plätscherte durch
diesen, und im Verlauf irgendwelcher Zwistigkeiten fiel Christoph dort hinein.
Stefan sprang unverzüglich hinterher, zog und drückte den kleinen Bruder aus
dem eisigen Wasser hinaus auf die Wiese, packte seine Hand und tropfte eilig
mit ihm dem Haus zu, woselbst
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