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Sieben auf einen Streich

Sieben auf einen Streich

Titel: Sieben auf einen Streich
Autoren: Amei Müller
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Kummerkost. Manfred und ich aber versuchten, uns
möglichst unbefangen zu geben, um nicht in die Probleme der beiden Lieben mit
hineingerissen zu werden.
    Da gab Christoph vorne erneut Zeichen,
daß er zu halten gedenke, hupte, blinkte und bremste, und alle anderen taten es
ihm nach, vermutlich ebenso unfroh wie Manfred.
    »Himmel noch mal, was ist denn jetzt
schon wieder los?«
    Bruder Michael schoß aus dem Auto, so
schnell das bei seiner Leibesfülle möglich war, trabte zu Christoph,
verhandelte kurz und heftig, ging weiter zu Stefan und dann zu uns. Manfred
kurbelte das Autofenster herunter.
    »Sag bloß nicht, der Wubbel muß schon
wieder...«
    »Nein, diesmal ist es eurer. Mathias hat
sein Taschenmesser im Wald verloren. Er heult und zetert. Wir müssen zurück,
sonst dreht er durch. Vorsicht beim Wenden!«
    Dieses Taschenmesser war Mathias’
größter Schatz. Erst vor zwei Wochen, am Geburtstag nämlich, hatte er es
geschenkt bekommen. Kein Wunder, daß er weinte.
    Die vier Autos wendeten und fuhren
zurück.
    Zweimal hielt Christoph an, lief von
Auto zu Auto und palaverte mit den anderen Fahrern, ob dies die richtige Stelle
sei. Schließlich waren sich alle einig, und die Familie strömte auf die Straße
hinaus.
    »Hiergeblieben!« schrie Michael. »Wir
müssen nach Plan vorgehen!«
    Und Christoph fügte hinzu: »Der Wubbel
bleibt im Auto!«
    »Oh, Ontel Piffpoff, Wubbel will
aber...« Diesmal brach er sofort in jammervolles Geheul aus. Die Rockerbraut
drückte ihren Sprößling an sich.
    »Wein nicht, Wubbel! Natürlich darfst
du mit. Du mußt doch auch suchen helfen. Onkel Christoph hat es nicht so
gemeint.«
    Christoph schluckte.
    »Ich will euch nicht hineinreden, Gabriele,
aber eure Erziehung ist zu lasch, das muß ich dir sagen.«
    Michael versammelte die Familie um
sich.
    »Also, Leute, wir schwärmen jetzt aus
in breiter Front. Die Kinder gehen in der Mitte, denn sie wissen am besten, wo
sie gepinkelt haben. Wer fündig geworden ist, gibt Laut. Die anderen schweigen.
Ich bleibe hier bei den Autos, denn einer muß den Überblick behalten. Weiter
als zehn Meter braucht ihr nicht zu gehen, oder seid ihr etwa noch tiefer in
den Wald gelaufen, Mathias?«
    Mathias hob das tränennasse Gesicht.
    »Mir hen Tannezapfe gsucht und net
zählt wieviel Meter.«
    »Herr du meines Lebens! Also zwanzig
Meter! Haltet die Augen am Boden!«
    »Meinst du, wir suchen das
Taschenmesser auf den Bäumen?«
    Die Frage schwebte direkt in der Luft,
und so stellte ich sie denn. Michael aber warf mir einen strengen Blick zu.
    »Sei nicht frech, Amei, halte deine
Zunge im Zaum!«
    Dies waren die Worte meines Vaters.
Seitdem er nicht mehr über meine spitze Zunge wachen konnte, hatte Michael
dieses Amt übernommen. Er verwaltete es mit Strenge, besonders wenn es mir
gelungen war, eine seiner Empfindlichkeiten zu treffen. Ein kurzer
Blickwechsel, dann fand der große Bruder zum gewohnten Befehlston zurück.
    »Uhrenvergleich, Leute! Es ist jetzt
zehn Uhr vierzig. Um zehn Uhr fünfzig kommt ihr wieder hierher zurück. Dann ist
das Unternehmen beendet, egal, wie es ausgeht.«
    Mathias schluchzte auf. Daß dieses
Unternehmen auch ohne sein Taschenmesser ausgehen könnte, war ihm bis jetzt
nicht bewußt geworden.
    »Komm, Mathias, wein nicht!« Ich
wischte ihm die Tränen vom Gesicht. »Du kriegst ein neues, ganz bestimmt!«
    »I will kei neu’s! I will mei alt’s!«
    Er drehte sich um und stapfte in den
Wald hinein.
    ›All you need is love, love, love...‹
sangen die Beatles in voller Lautstärke. Henriette schwärmte mit aus in breiter
Front. Sie trug ihren Kassettenrekorder hinein in den Wald, und aus ihm heulten
die Beatles.
    »Jette, willst du wohl das Ding
abstellen!« brüllte Michael vom Auto her.
    Florian machte drei große Schritte zu
seiner Tochter hin.
    »Dreh’s bißchen leiser, Jette!«
    »Aber es ist schon so leise! Ich hör’
ja fast nichts mehr. Hier im Wald stört’s doch keinen. Im Zimmer darf ich
nicht, im Auto auch nicht, wo soll ich’s denn hören?« Sie drehte mißmutig an
ihrem Apparat und hielt ihn dann fest ans Ohr, um ja keinen Ton zu versäumen.
So stolperte sie im Wald herum und wußte nicht, warum sie das tat, das
Taschenmesser hatte sie längst vergessen.
    Klaus-Peter suchte am äußersten rechten
Flügel, Gitti neben mir am äußersten linken.
    »Bist traurig, Gitti? Was ist denn los?
Komm erzähl!«
    Sie knüllte die Waffeltüte zusammen.
    »Menschenskind, Amei, ich hab’ sie alle
aufgegessen.
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