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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus!
Autoren: Christian Strzoda
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Schlaganfall im Broca-Areal des Gehirns. Das Broca-Areal ist eine Region der Großhirnrinde und beinhaltet eine der Hauptkomponenten des Sprachzentrums. Wenn dort ein Schlaganfall vorliegt, geht die Fähigkeit verloren, Worte zu formen und auszusprechen. Das Sprachverständnis bleibt dabei in der Regel relativ gut erhalten, sodass die Patienten ihren eigenen Zustand realisieren und als bedrohlich empfinden.
    Wir starteten unseren Stroke-Algorithmus. Dazu gehören der venöse Zugang, eine Blutentnahme und der möglichst zügige Transport in die Klinik, in der eine notfallmäßige Computertomografie durchgeführt wird. Wenn dort ein Schlaganfall erkannt wird, erfolgt das medikamentöse Auflösen des Gefäßverschlusses mittels eines hochpotenten Lysemittels. Der Einsatz dieses Medikamentes ist an enge Vorgaben gebunden. Hatte der Patient zum Beispiel erst kürzlich eine Operation, darf das Medikament nicht eingesetzt werden. Auch die Zeit spielt eine herausragende Rolle. Das Zeitfenster, innerhalb dessen eine Lyse erfolgen muss, umfasst nach Eintritt der Symptome für einen Schlaganfall nur wenige Stunden. Wenn dieser Zeitraum überschritten wird, treten bei Anwendung der Lyse erhebliche bis sogar lebensgefährliche Nebenwirkungen auf.
    Ich las die Versichertenkarte in unser Datengerät ein, während Lenny die Infusion anschloss.
    »Fertig. Wir können«, sagte er. Ich betätigte den »Versenden«-Schalter im Programm des Datengerätes und jagte die Informationen via Internet in die Klinik.
    Eine Sekunde später ertönte an der Anmeldung der Nothilfe unseres Krankenhauses der Schlaganfallalarm. Die mit unserem Datengerät erfassten Angaben werden über das Internet ans Krankenhaus übermittelt. Die ebenfalls alarmierte Neurologin wertet die Daten aus und trifft die Entscheidung, den Computertomografen hochfahren zu lassen. Außer den Patientendaten sind auch noch Blutdruck- und Blutzuckerwert, Herzfrequenz, Vigilanz und Lähmungserscheinungen vermerkt. Sollten noch Fragen vorliegen, kann uns die Neurologin direkt auf unserem Diensthandy erreichen.
    Lenny jagte die Nothilfe hoch. Wir sprinteten an der Anmeldung vorbei und informierten die Neurologin auf dem Weg zum Computertomografen über den Vorfall.
    »Wann hat man die Patientin zuletzt ohne die Symptome gesehen?«, fragte die Ärztin.
    Ich schluckte. Diese Frage konnten wir nicht beantworten. Die Lyse durfte daher nicht mehr durchgeführt werden. Wäre der noch zulässige Zeitpunkt nur knapp überschritten, könnte der Neurologe das Risiko noch abwägen und die Lyse trotzdem anwenden. Aber ohne einen Anhaltspunkt für einen Symptombeginn gab es keine Möglichkeit. Der Rettungsdienst war zu spät gekommen.
    Während ich mein Notfallprotokoll komplettierte, klingelte mein Diensthandy. Ich ging ran.
    »Hier spricht die Leitstelle. Wie lange braucht ihr noch?«, fragte eine forsche Stimme.
    »Keine Ahnung. Einige Minuten.«
    »Geht das etwas genauer?« Der Ton war aggressiv.
    »Ich weiß es nicht. Warum?«
    »Ich hätte einen Folgeeinsatz für euch. Also?«
    »Also was?«
    »Na ... wie lange braucht ihr jetzt noch? Sonst muss ich jemand anderen schicken.« Die Stimme fing an, mir auf die Nerven zu gehen.
    »Einfache Regel: Je länger du mich hier von meiner Arbeit abhältst, desto länger wird es dauern.«
    Ich legte auf, schimpfte den Disponenten einen Affen und ging in Richtung meines Rettungswagens.
    »Die Leitstelle hat gefragt, wie lange wir noch brauchen«, informierte mich Lenny und kam auf mich zu. »Verdacht auf Schlaganfall.«
    Schon wieder. Schien also wirklich dringend zu sein. Und wir waren wieder einmal der einzige noch verfügbare Rettungswagen für insgesamt 100 000 Menschen.
    Diesmal berichtete der 69-jährige Viktor Matos, dass ihn plötzlich ein akuter Schwindel und Übelkeit überkommen hätten, während er gerade an seinem Computer arbeitete. Nur wenn er sich hinlegte, ging es ihm etwas besser. Die Frage, ob er denn in der Vergangenheit schon mal Schwierigkeiten mit dem Innenohr gehabt habe, verneinte der Mann. Aufgrund fehlender rhythmischer Augenbewegungen, auch Nystagmus genannt, schied auch ein ungefährlicher Lagerungsschwindel aus. Der Mann wirkte auffallend krank und kollabierte fast, wenn er sich an den Rand seiner Couch setzte. Puls, Blutdruck, Blutzucker und Sauerstoffsättigung befanden sich im Normalbereich. Auch hier war meine Verdachtsdiagnose aufgrund des plötzlichen Eintrittes ein akuter Schlaganfall. Daher dasselbe Spiel wie zuvor:
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