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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus!
Autoren: Christian Strzoda
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wohl an etwas Böses.
    Das Unglück geschah erst, als sie sich schon eine Weile auf der Hauptstraße befanden. Paul trat auf das Gaspedal, wich einem Schlagloch aus und zog das Lenkrad mit einem Schlenker nach rechts. Ein Poltern kam von hinten aus dem Laderaum. Eine Gemüsekiste war wohl umgekippt. Ludwig fluchte, Paul drehte sich um und ließ die Straße aus den Augen. Zeugen sagten später aus, dass der Lieferwagen nach links abgedriftet war. Ludwig bemerkte es als Erster, aber es war zu spät. Niemand konnte mehr eingreifen. Plötzlich war der Schulbus da. Reifen schlitterten über Teer. Dann ein Knall.
    Eine – zwei – drei – vier Sekunden lang Stille. Dann schrien Kinder. Die Fahrgastzelle des Busses war zum Glück so gut wie unbeschädigt. Nur durch den Ruck des Aufpralls waren einige Schüler und der Busfahrer leicht verletzt, der hilflos am Steuer saß und sich am Lenkrad festhielt. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er auf den weißen Transporter, der in das gelb lackierte Metall des Linienbusses getaucht und wie von einer unsichtbaren Wand abgeprallt war. Wasserdampf stieg aus dem Motorraum auf und verdeckte die Sicht auf Paul und Ludwig. Autos hielten an der Unfallstelle, die sowieso nicht passierbar war. Irgendwann wählte jemand den Rettungsdienstnotruf.
    Lenny und ich standen zu diesem Zeitpunkt vor einer italienischen Eisdiele und freuten uns wie kleine Kinder auf eine kühle Vanilleeiscreme. Keiner der 15 Wartenden kam auf die Idee, dass wir es vielleicht eilig haben könnten. Solange uns die Leitstelle in Frieden ließ, war das ja auch richtig. Niemand ließ uns vor, und so kam es, wie es kommen musste: Wir bekamen kein Eis, sondern stattdessen einen Einsatz.
    Wir waren nicht weit entfernt. Einen Kilometer Luftlinie, Anfahrtszeit: eine Minute. Theoretisch hätten wir den Unfall sogar hören können. Die Feuerwehr hatte den Transporter bereits abgeschottet und einen Sichtschutz angebracht. Lenny lief zum Schulbus und zählte die Verletzten, ich stand vor Pauls weißem Lkw. Mein Blick fiel zuerst auf Paul. So wichtig die A-Säule für die Stabilität eines Autos ist, so gefährlich ist sie bei einem seitlichen Frontalaufprall. Paul hatte ihr nichts entgegenzusetzen gehabt. Die Säule hatte sich wie nichts in seinen Schädel hineingeschoben und das Gesicht geteilt. Überall nur Blut und Hirnmasse. Dennoch fühlte ich einen Puls an Pauls Handgelenk.
    »Ist er tot?« Ich erschrak. Ludwig hatte mir den Kopf zugedreht. »Diese verdammte Gemüsekiste.«
    »Nein, aber er ist schwer verletzt. Wie heißen Sie?«
    »Ludwig.«
    Während ich Ludwig unser weiteres Vorgehen erklärte, legten Lenny und ich venöse Zugänge zum Ausgleich des Blutverlustes. Die beiden Männer waren so schwer eingeklemmt, dass wir ansonsten keine weiteren Versuche zur Rettung unternehmen konnten. Zwei Rettungshubschrauber waren auf dem Weg zu uns.
    Der Feuerwehrkommandant wollte zuerst Paul rausholen. Seine Männer setzten Schere und Spreizer ein. Die A-Säule brach, Scheiben zerplatzten. Dieselgeneratoren stanken und übertönten jeden Versuch, Ludwig auf dem Laufenden zu halten. Seine Augen glänzten in Panik, als wir Paul auf die Trage des zweiten Rettungswagens legten und sich ein Blutsee gebildet hatte. Paul lebte, aber alle Reaktionen waren erloschen. Einer der Helikopter brachte ihn in ein Krankenhaus der maximalen Versorgungsstufe, aber es nützte nichts mehr. Kurz vor Erreichen der Klinik starb Paul.
    Nachdem Paul in den Hubschrauber gebracht worden war, kauerte ich am Beifahrersitz des zerstörten Transporters. Ludwig tat mir leid. Sehr leid. Er sah auf seine Beine, während ihm Tränen die alten Wangen hinunterliefen.
    »Ich kann sie nicht spüren.«
    Die Konsole hatte sich einen zerstörerischen Weg gebahnt. Plastik- und Eisenteile hatten Ludwigs Bauch knapp oberhalb des Beckens durchstoßen und schienen ihn von seinem Unterleib zu trennen. Das hieß, dass die Baucharterie ebenfalls beschädigt sein musste. Und mit ihr alle großen Gefäße in diesem Bereich. Es war aber wenig Blut zu sehen. Der drohende Blutverlust wurde vermutlich durch den Druck der Fahrzeugteile auf die Verletzung unterbunden.
    Dies bedeutete im Klartext: In dem Moment, in dem wir Ludwig befreiten, würde er augenblicklich verbluten. Eine Alternative dazu existierte nicht. Kein Chirurg dieser Erde wäre in der Lage gewesen, das zu verhindern.
    »Hast du einen Plan?«, fragte Lenny und sah mich an. Ich schüttelte den Kopf und fühlte mich so mies
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