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Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Sie sehen aber gar nicht gut aus!

Titel: Sie sehen aber gar nicht gut aus!
Autoren: Christian Strzoda
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öfter mal ausgesperrt hat.«
    »Wie sind Sie darauf gekommen, dass die Dame Hilfe braucht?«
    »Ich habe es poltern gehört. Das Schlafzimmer liegt direkt neben meiner Wohnung. Ich hab dann geklingelt. Sie hat aber nicht aufgemacht ...«
    »Verstehe. Tut mir leid, dass Sie das erleben mussten«, sagte ich und schloss den Notfallrucksack.
    »... und jetzt muss ich auch noch einen Nachmieter suchen.«
    »Sie ... sind der Vermieter?« Die Brille des Notarztes saß schief auf seiner Nase und schien gleich herunterzurutschen. Sein stumpfes, wirres Haar unterstrich den Eindruck der typischen vollkommenen Müdigkeit im Nachtdienst.
    »Ja, warum?«
    »Bitte ... warten Sie mal noch mit der Suche.«
    Der Vermieter sah aus, als hätte man ihm gerade ein unlösbares Rätsel gestellt. Der Notarzt kramte in seiner Mappe, fand offenbar nichts und räumte daraufhin alle seine Taschen aus. Papier und anderer Kram fielen zu Boden. Schließlich kam ein zerknittertes Exemplar einer Visitenkarte zum Vorschein, die er dem Vermieter hinhielt.
    »Was soll ich damit?«, fragte der Vermieter konsterniert.
    »Ich weiß, dass das ein ziemlich unpassender Zeitpunkt ist, aber ich suche eine Wohnung.« Den letzten Teil des Satzes flüsterte der Notarzt. »Auf der Visitenkarte steht meine Telefonnummer.«
    Schweigen. Nur der Hund von vorhin war wieder draußen und bellte.
    »Sie können mich natürlich auch per E-Mail erreichen«, fuhr der Notarzt fort und unterstrich die E-Mail-Adresse mit einem Kugelschreiber.
    Wieder sagte keiner was. Schließlich ging die Tür auf, und Lenny streckte seinen Kopf herein. »Können wir los?«
    »Sie können auch gerne das Kontaktformular auf meiner Internetseite verwenden. Die steht auch auf der Karte«, lächelte der Notarzt. Er rückte den Stuhl zurecht und vervollständigte das Protokoll.
    Niemand verlor ein Wort, als wir die Wohnung verließen. Der Notarzt hatte der alten Dame einen »natürlichen Tod« bescheinigt, nachdem er ihre Krankheitsgeschichte gelesen hatte und klar war, dass sie durch ihre Raucherei maßgeblich zu ihrem Ableben beigetragen hatte.
    Der Leichenwagen holte die alte Dame am darauffolgenden Tag ab. Kein Angehöriger kam, niemand fragte nach der Wohnung und den Habseligkeiten oder kümmerte sich um das weitere Vorgehen.
    Bei der Neuvermietung hatte der Vermieter ein leichtes Spiel. Es war keine Zeitungsannonce nötig, kein Kontakt zu einem Makler oder Herumfragen im Bekanntenkreis, wer denn eine Wohnung bräuchte. Alle Telefoniererei und jeglicher Arbeitsaufwand entfielen. Auch die Renovierung konnte sich der Vermieter sparen, denn der Nachmieter übernahm alles, was nötig war. Und Sie dürfen dreimal raten, wer wohl der Nachmieter geworden ist.

Latent bekloppt
    »Auf so was habe ich im Moment echt überhaupt keinen Bock«, sagte Lenny und zupfte verschlafen an seinem Hemd. Die Küchenuhr der Rettungswache zeigte 3.29 Uhr. Showtime im Nobelviertel unseres Ortes. Der Alarmton des Piepsers erstarb und ging in Rauschen über, Fragmente der Disponentenstimme quäkten etwas von »Suizidankündigung«, »Badewanne« und »männlich«. Der Patient hieß angeblich Thomas Gillessen.
    Der junge Mittzwanziger mit Radiogesicht und ausgeprägtem Haarausfallgen war nur mit einem Morgenmantel bekleidet und öffnete uns triefend nass die Haustür. Die gerunzelte Stirn und die hochgezogene Augenbraue ließen darauf schließen, dass unser Timing nicht unbedingt das beste war. Aber dass wir Herrn Gillessen offenbar beim Baden gestört hatten, passte zur Einsatzmeldung.
    »Ja?«
    »Guten Morgen. Strasser vom Rettungsdienst. Dürfen wir hereinkommen?«
    »Hier ist aber alles bestens«, meinte der Typ zu Lenny, »wie komme ich zu der Ehre?«
    Er stieß die Tür ganz auf und wies uns mit einladender Handbewegung und leichter Verbeugung den Weg ins Wohnzimmer. Aus einem Radio klang Jazz.
    »Mann oh Mann, ich seh ja wohl nicht richtig«, flüsterte Lenny unhörbar für Herrn Gillessen. Auch ich traute meinen Augen kaum. Die Wohnung bot über das 2,50 Meter breite Fenster einen Panoramablick auf unsere Stadt, die im sommerlichen Glitzern der Nacht erstrahlte. Sie lag auf zwei Etagen, die über eine Wendeltreppe miteinander verbunden waren. Der Boden des Eingangsbereichs war mit Marmor ausgelegt. Und der Kamerad hatte seine Innenausstattung ganz sicher nicht in einem Billigmöbelhaus gekauft. Das Sofa im Wohnzimmer hätte mehrere meiner Monatsgehälter verschlungen.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    »Die Frage
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