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053 - Der Gast aus dem Totenreich

053 - Der Gast aus dem Totenreich

Titel: 053 - Der Gast aus dem Totenreich
Autoren: Dämonenkiller
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Die Umrisse der Villa hoben sich undeutlich gegen den Nachthimmel ab. Wenigstens die spitzgiebeligen Erker und das verzierte Dach waren von der Privatstraße aus, die sich den flachen Hügel hinaufwand, zu erkennen. Vor der Parkmauer ragten – auf rätselhafte Art lebendig wirkend – Zypressen in den Himmel.
    Friedhofsbäume , dachte Claudia Marino.
    Sie setzte ihren Weg ein bisschen zögernd fort. Eigentlich war sie es als Kulturredakteurin einer bekannten römischen Zeitschrift nicht gewohnt, allein auf nächtliche Streifzüge zu gehen. Sie hatte ein wenig Angst. Die Villa sah nicht einladend aus. Kein Licht brannte, nirgends war ein Mensch zu sehen.
    Die Nacht war nicht besonders kühl, denn auch im Dezember fiel das Klima in der Region Lazio angenehm mild aus. Claudia Marino, die hübsche Journalistin mit den keck gelockten Haaren, hatte nur einen Trenchcoat über den Rock und den Pulli gezogen. Irgendwo schrie ein Käuzchen. Eine Fledermaus kam torkelnd durch die Luft gesegelt. Als Claudia zwischen den Zypressen hindurchschritt, bemerkte sie, dass der laue Wind mit den Wipfeln spielte und das Laub leicht rascheln ließ.
    Sie trat an das Tor in der Mauer. Maestro Marco Bertini stand auf dem großen Kupferschild über dem Klingelknopf. In einem Land, in dem man auf Titel großen Wert legte, mutete der Zusatz keineswegs kurios an; im Gegenteil; gerade eine Persönlichkeit wie der Mann, dem Claudia nun seit fast einem Jahr auf den Fersen saß, schien ohne dieses Attribut entwürdigt zu werden. Maestro Marco Bertini, der große Violinist. Maestro Bertini, der bedeutendste Paganini-Interpret dieser Epoche, ein Virtuose sondergleichen.
    Claudia setzte den Daumen auf den Klingelknopf und wartete. Als sich nach einer Minute niemand gemeldet hatte, bewegte sie die Klinke des schmiedeeisernen Tores. Knarrend schwang es auf.
    Ihr war nicht gerade wohl zumute, während sie durch den Park schritt.
    Ist denn hier keiner? , fragte sie sich. Habe ich mich getäuscht?
    Unvermittelt hörte das Käuzchen zu schreien auf. Stille umgab Claudia Marino. Nur ihre Schuhe knirschten leise auf dem Kies des Parkweges. Sie fröstelte unwillkürlich und zupfte nervös an ihrem Mantelkragen. Immer wieder blieb sie stehen und blickte sich um.
    Die Villa lag vor ihr, stumm und düster – ein drohend wirkendes Gemäuer.
    Claudia dachte zurück an die Bemühungen, die sie angestellt hatte, um den verschwundenen Maestro zu finden. Sie war elf Monate lang kreuz und quer durch die Weltgeschichte gereist; ein paar Mal hatte es so ausgesehen, als hätte sie ihn. Dann hatte sich herausgestellt, dass sie einem Schwindel aufgesessen war. Claudia war nach Italien zurückgekehrt, wen sie in London den heißen Tipp bekommen hatte, Bertini sei in Rom. Taxifahrer auf dem Flughafen Fiumicino hatten ihr versichert, ein Mann, auf den die Beschreibung des Maestros passe, habe sich zur Villa bringen lassen.
    Claudia war überzeugt, dass der Maestro sich hier versteckt hielt. Vor einem Jahr war er nach einem Skandal spurlos untergetaucht. Sie hatte sich geschworen, ihn zu finden. Ein Stück persönliches Engagement spielte dabei auch mit. Sie hatte nämlich eine Schwäche für den großen Marco Bertini. Unten an der Privatstraße hatte sie sich von einem Taxi absetzen lassen. Sie hatte dem Fahrer ausdrücklich gesagt, dass er nicht zu warten brauchte. Warum? Sie wusste es nicht genau. Sie hatte aus einem spontanen Entschluss heraus gehandelt. Eigentlich bereute sie es jetzt ein wenig, das Taxi fortgeschickt zu haben.
    Sie schritt an finsteren Wacholdersträuchern vorüber, an Rhododendron- und Oleanderbüschen, deren Blätter geheimnisvoll raschelten.
    Claudia gewahrte den Zierteich. Das Ufer bestand aus römischem Travertin, und in der Mitte erhob sich eine Art Säule, die von einem nackten Knaben gekrönt wurde. Der Knabe hielt einen Fisch, aus dessen Maul ein feiner Wasserstrahl rann.
    Claudia trat näher heran. Sie hatte keine Ahnung, warum ausgerechnet der Teich ihre Aufmerksamkeit erregte. Irgendwie handelte sie gegen ihren Willen. Sie beugte sich über die schwarze Wasserfläche. Es ließ sich nicht feststellen, wie tief der Teich war.
    Im Wasser gluckste es unheimlich. Claudia zog sich wieder zurück. Der Teich war ihr nicht geheuer.
    Dann hörte sie das Geräusch und drehte sich um. Etwas hatte geknackt. Da! Unter dem Dach der Terrasse bewegte sich eine Gestalt. Sie ging in Richtung Villa, gebückt und mit seltsam eckigen Bewegungen. Claudia meinte, den
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