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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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Menschen. Er konnte keinerlei Verbindung zu den beiden ziehen. Keine Beziehung herstellen. Mit Menschen dieser Gesellschaftsschicht hatte Rouven nichts zu tun. Es gab keine Verbindungen. Keine Gemeinsamkeiten.
    »Wieder Sackgasse«, brummte Rouven enttäuscht und wollte sich schon den anderen Fotos zuwenden, als er plötzlich innehielt. Direkt hinter sich hatte er ein Geräusch gehört. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass er nicht allein in diesem Haus war. Er konnte die Anwesenheit eines weiteren Menschen spüren. Hier. In diesem Raum.
    Doch noch bevor er sich umdrehen und davonrennen konnte, wurde Rouven von hinten gepackt und auf die Erde gezerrt.

D er Deckel fiel scheppernd zu Boden, und sie erschreckte sich dermaßen, dass sie laut aufschrie. Doch schnell hatte sie wieder ihre Fassung gewonnen. So etwas passierte ihr ja nicht zum ersten Mal. Wie oft schon hatte sie   …
    Schritte.
    Sie hatte Schritte gehört. Hinter sich. Schnell drehte sie sich um und erschrak erneut.
    »Wer sind Sie?«
    Der Mann trat näher an sie heran.
    Die Frau hielt schützend den Deckel des Kochtopfs vor sich. »Kenne ich Sie?«
    »Ist das wichtig?«, stellte ihr Besucher die Gegenfrage.
    Sie musterte ihn von oben bis unten. Soweit sie sich erinnern konnte, war sie noch nie von einem Menschen derart angewidert gewesen. Schon immer hatte sie die Menschen gemocht. Stets das Gute in ihnen gesehen.
    Doch hier, im Angesicht dieses Mannes, kamen Gefühle in ihr hoch, die sie noch nie verspürt hatte. Blanke Abscheu. Völliger Widerwillen, diesen Mann in ihrer Nähe zu haben.
    Es war nicht nur sein Äußeres. Es war alles an ihm. Seine negative Ausstrahlung, sein bohrender Blick, sein verhärmtes Gesicht.
    »Bitte, was wollen Sie?«
    Der Fremde schnalzte mit der Zunge. Er genoss das klickende Geräusch, dann griff er in seine Jackentasche. Augenblicklich machte sich Panik in der Frau breit. Immer wieder hörte man von Überfällen auf Frauen im Park. Doch zu ihrer Erleichterung zog der Mann keineWaffe hervor, sondern lediglich ein Blatt Papier. »Geben Sie das Rouven«, raunte er und drückte der Frau den Zettel in die Hand.
    »Rouven?«, fragte sie erstaunt zurück. »Bitte, wer ist Rouven?«
    Der Besucher musterte sie aufmerksam, gerade so, als wollte er abschätzen, ob sie ihm etwas vorspielte oder nicht. Obwohl er genau wusste, was sich hier abspielte.
    Erneut ließ er sein Zungenschnalzen hören, bevor er sagte: »Sie leben doch nicht allein hier, oder?«
    Wieder stieg Angst in ihr auf. »Ich bekomme viel Besuch«, gab sie zur Antwort. »Meine Enkel sind immer wieder hier. Gleich müsste   …«
    »Enkel?« Er schien amüsiert. »Dann geben Sie diesen Zettel eben einem Ihrer Enkel.«
    »Aber wem? Bernie? Arthur? Michael?« Sie zitterte.
    Er trat einen Schritt näher an sie heran und blickte ihr fest in die Augen. Der Anflug eines Grinsens zeigte sich auf seinem bleichen Gesicht. Er genoss sein Spiel.
    »Geben Sie den Zettel dem ersten, der hier hereinkommt«, stieß er mit Nachdruck hervor. »Wie immer er auch heißen mag.«
    »Aber   …«
    Noch einmal starrte der Fremde ihr fest in die Augen, dann wandte er sich ab und verschwand aus dem Raum. Das Letzte, was sie hörte, war das Schnalzen seiner Zunge, bevor die Tür ins Schloss fiel.
    Die Frau seufzte auf. Zitternd griff sie nach dem Herd und hielt sich daran fest. Alles drehte sich vor ihren Augen. Wäre sie jetzt nur nicht allein gewesen.

R ouven lag der Länge nach auf dem Boden des Schlafzimmers. Sein Angreifer hielt ihn an beiden Händen fest und drückte das Knie gegen Rouvens Schulter, um ihn am Aufstehen zu hindern.
    »Die alte Regel stimmt also immer noch«, hörte Rouven eine männliche Stimme triumphieren. »Der Täter kehrt immer an den Ort seiner Verbrechen zurück.« Er räusperte sich. »Und dabei sind wir nur routinemäßig hierhergekommen. Wer hätte denn gedacht, dass wir dich hier tatsächlich antreffen!«
    »Ich bin nicht der Täter«, raunte Rouven, so gut er konnte, hervor. Sein Angreifer drückte ihn mit dem Gesicht so gegen den Boden, dass ihm das Sprechen kaum möglich war.
    »Auch das sagen sie alle«, triumphierte der Mann weiter.
    Rouven versuchte sich zu wehren. Er stemmte sich mit dem Körper gegen den Griff des Mannes, doch dieser reagierte schnell und verstärkte seinen Druck nur noch. Dabei stellte er einen seiner Füße so, dass Rouven die roten Turnschuhe erkennen konnte.
    »Sie sind Polizist«, brachte Rouven mühsam hervor.
    »Ah, jetzt erkennst
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