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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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du mich endlich wieder. Schade, dass kein Bus zur Flucht bereitsteht, was?«
    Rouven drehte gegen den Druck des Polizisten mühsam seinen Kopf ein winziges Stück zur Seite. Nur so viel, dass ihm das Sprechen leichter fiel. »Ich will nicht flüchten. Ich möchte mit Ihnen reden.«
    »Kann ich mir denken. Lass mich raten, was das Thema sein wird: Du bist unschuldig, nicht wahr?«
    »Ich weiß es nicht«, musste Rouven ehrlich zugeben. »Ich weiß selbst nicht, was mit mir geschieht.«
    »Oh, wir plädieren für unzurechnungsfähig? Jetzt schon? Du stehst doch noch gar nicht vor Gericht.«
    »Bitte, lassen Sie uns reden!«
    Der Mann dachte keine Sekunde darüber nach. »Wir werden reden«, gab er zur Antwort. »Wenn du hinter Gittern sitzt.«
    Rouven spürte, wie der Druck auf seine Armgelenke nachließ. Der Mann zog für einen Moment eine seiner Hände zurück, und Rouven hörte das klackende Geräusch von Handschellen. Der Polizist bereitete also die Verhaftung vor. Wenn Rouven noch flüchten wollte, dann war es nur jetzt möglich.
    Ruckartig zog er seine Hände vor, stemmte sich vom Boden ab und drückte sich in die Höhe. Der Polizist schrie überrascht auf und fiel von Rouvens Rücken.
    »He!«
    Rouven achtete nicht auf ihn. Blitzschnell sprang er auf die Beine und hastete die Treppen zum Erdgeschoss hinunter.
    »Bleib stehen!«
    Schon hörte er die Schritte des Polizisten.
    Am Ende der Treppe angekommen, wandte sich Rouven der Haustür zu, doch da fiel sein Blick auf den Schatten hinter dem riesigen Garderobenschrank. Natürlich, die beiden Polizisten waren wieder gemeinsam unterwegs.
    Rouven machte auf der Stelle kehrt und rannte ins Wohnzimmer. Er stolperte über den am Boden liegenden Schrank und fiel der Länge nach auf den Boden. Die Wucht des Sturzes ließ ihn über die Steinplatten rutschen, direkt auf die Scherben der Terrassentür zu. Rouven schloss die Augen, gefasst darauf, sich die Hände und Arme aufzuschlitzen.
    Doch da spürte er, wie ihn jemand am Rücken fasste und zurückzog. Ein roter Turnschuh tauchte neben Rouvens Gesicht auf.
    »Flucht wird dir nicht helfen«, riet ihm eine vertraute Stimme.
    Rouven spürte, dass er nur ungeschickt am Arm gehalten wurde. Mit einem einzigen Ruck gelang es ihm, sich wieder aus dem Griffdes Polizisten zu befreien. Und schon rannte er erneut los, über die Scherben hinweg, durch das Loch in der Terrassentür nach draußen.
    »Stehen bleiben! Wir sind bewaffnet«, rief ihm einer der Männer hinterher, doch da bog Rouven schon um die Ecke in die Einfahrt des Hauses.
    Fieberhaft blickte er sich nach rechts und links um. Es regnete noch immer in Strömen.
    Rouven befand sich in einer schnurgeraden Straße. Welche Richtung auch immer er nehmen würde, die Polizisten würden ihn sofort entdecken.
    Ihm gegenüber parkte ein Auto. Wie im Reflex lief Rouven auf den Wagen zu, ließ sich auf die Erde fallen und schlitterte auf der regennassen Fahrbahn unter den Wagen, wo er sich eng zusammenkrümmte.
    Keine Sekunde zu früh. Schon kamen die beiden Polizisten die Einfahrt heruntergelaufen. An der Straße blieben auch sie stehen, exakt an der Stelle, wo Rouven wenige Augenblicke zuvor gestanden hatte. Er konnte nur ihre Beine sehen und die Schuhe darunter. Die roten Turnschuhe des einen Polizisten und die schwarzen, gepflegten Lackschuhe des anderen.
    »Wo mag er stecken?«, hörte Rouven einen der beiden fragen.
    »Weit kann er nicht sein. Lass uns getrennt suchen.«
    Der andere willigte ein, und Rouven beobachtete aus seinem Versteck heraus, wie sich die zwei in beide Richtungen verteilten. Wie sie in dem strömenden Regen mit ihren Taschenlampen die Vorgärten der umliegenden Häuser absuchten, jeder mit seiner Pistole schussbereit in der anderen Hand. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie sich schließlich wieder an der Einfahrt des Hauses trafen, wo Rouven sie erneut belauschen konnte.
    »Weg!«
    »Verflixt!«
    Sie traten über die Straße und blieben nun unmittelbar vor Rouvens Gesicht stehen. Rouven lag noch immer zusammengekauert unter dem Wagen und traute sich kaum zu atmen. Die Spitze des einen roten Turnschuhs berührte beinahe sein Kinn.
    »Er kann noch nicht weit sein.«
    »Scheiße!« Einer der beiden spuckte wütend aus. Direkt vor Rouvens Gesicht klatschte es nass auf den Asphalt. »Wir waren so dicht an ihm dran!«
    »Und nun? Verstärkung holen?«
    »Bist du verrückt? Sollen wir vielleicht zugeben, dass uns ein Jugendlicher direkt aus den Händen entwischt
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