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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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So muss er nun ebenfalls als Untoter weiterexistieren. Aber nicht in seiner Welt. Er wird für alle Ewigkeit in dem Raum gefangen bleiben, der sich unter der Marmorplatte befindet. Bis in alle Zeiten hinein kann er dort über seine Taten nachdenken. Und es wird ihm nicht gefallen, zu welchem Schluss er kommen wird. Denn, Tabitha, ich glaube, dass er mittlerweile weiß, dass er uns einen Gefallen getan hat. Ganz sicher weiß er, dass wir gerade auf ihn blicken und dass wir nun zu dritt, in unseren unsterblichen Körpern, gemeinsam über die Halle der Seelen wachen.«
    Und insgeheim war Rouven seinem Rivalen dankbar. Er hatte ihm ein Leben geschenkt, das er mit niemandem mehr tauschen wollte. Ein Leben in dieser Halle, an der Seite von Tabitha und Nana.
    »Dieses Wissen wird ihm mehr zusetzen als sein enges Gefängnis, in dem er nun verbleiben muss«, sagte Tabitha.
    Rouven nickte. »In sieben Jahren werde ich ihn besuchen. Dann, wenn ich wieder auf die Erde gehe. Er kann mich ja hören und verstehen, wenn ich zu ihm spreche.« Er lächelte. »Meinen Seelenschützern werde ich Briefe schreiben müssen. Denn sie können mich ja nicht mehr sehen. Aber dass das funktioniert, das hast du ja schon bei Mayers und Tallwitz bewiesen, nicht wahr?«
    Tabitha zeigte auf die beiden Polizisten, die sie in den schimmernden Buchseiten beobachten konnten.
    »Ich fand es richtig von dir, sie zu den Wächtern über Jachaels Gefängnis zu bestimmen.«
    »Sie hatten sich im Kampf bewährt«, antwortete Rouven. »In jener Nacht waren sie uns eine wertvolle Hilfe. Und eine ebenso große Hilfe waren sie mir, als wir gemeinsam den Raum ausgehoben haben, in dem Jachael nun leben muss.«
    »Und nicht nur das«, entgegnete Tabitha. »Mit ihrer Lügengeschichte rund um den Neumond-Täter haben sie auch diesen Fall zu Ende bringen können. Niemand sucht mehr nach dir.«
    Plötzlich schüttelte Nana den Kopf.
    »Aber bitte«, sagte sie mit gespielter Entrüstung. »Das hätte man auch anders regeln können. Deinen menschlichen Körper, Rouven, in die Gefängniszelle zu legen und zu behaupten, du hättest Selbstmord begangen, weil du mit all der Schuld nicht leben konntest. Das klingt doch schrecklich!«
    Rouven kicherte. »Bertoli hat’s gefallen. Und er ist froh, mich endgültig los zu sein. Ich war ihm doch sehr unheimlich.«
    »Und die Menschen in der Stadt haben eine Geschichte bekommen, die sie glauben können und die ihnen die Angst vor erneuten Einbrüchen des Neumond-Täters genommen hat.«
    Rouven richtete sich auf. »Alles hat ein gutes Ende gefunden. Und wir können mit einem neuen Anfang beginnen. Als Wächtertrio in dieser Halle.«
    Er schloss sanft das Buch und ging den beiden voraus. Er führte sie wieder vor eine der Wände mit den Kojen darin.
    Wieder beobachteten sie die winzigen Regungen hinter den Vorhängen.
    »Wie sie sich wohl gerade fühlen?« Tabitha hatte diese Frage mehr in Gedanken zu sich selbst ausgesprochen.
    Doch Rouven gab ihr eine Antwort: »Kennst du den kurzen Moment, bevor du am Morgen erwachst? Diesen Augenblick, bevor dir bewusst wird, wer du bist? Kennst du dieses einzigartige Gefühl, zu wissen, dass die Welt einfach wunderbar und das Leben ein kostbares Geschenk ist? Dieses Gefühl, das dich weckt, kurz bevor dein Verstand dich an deine Sorgen erinnert und an die Termine eines Tages? Diese Zufriedenheit mit dir selbst, das Bewusstsein, dass du ein wichtiger Teil des großen Ganzen bist? Dass alles zusammenhängt? Und nur alles zusammen einen Sinn ergibt? In diesem Gefühlszustand befinden sich gerade alle diese Seelen. Sie sind aufgeregt und erwartungsvoll und gleichzeitig von purem Glück erfüllt.«
    Tabitha schmiegte sich fest an Rouven. Seine Worte klangen in ihr nach. Und jetzt, mit dem Blick auf alle diese reinen Seelen, nachdem sie alles überstanden hatten, was hinter ihnen lag, musste sie Rouven zustimmen: Das Leben war ein großartiges Geschenk. In welcher Form auch immer.

Ein ganz herzliches Dankeschön an die Jugendlichen der Moerser Jugendbuch-Jury ( MJJ ), die mir als Testleser mit all ihrer Erfahrung eine wunderbare Hilfe gewesen sind:
    Miriam Baumann, Maike Grabow, Valerie Job, Lennart Gläser, Michael Meitzner, Leo Schmidtke, Patrick Stenzel, Niklas Welbertz
    Danke für eure Tipps und Anregungen.
    Zudem sage ich der Leiterin der MJJ , Claudia Knust, Danke für alle Organisation im Vorfeld.
    Und ebenso einen riesigen Dank an Doro, Hannah und Franziska für ihre Unterstützung im Vorfeld
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