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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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seine Begeisterung heraus, dass die gesamte Kapelle dröhnte und erzitterte.
    Rouven blieb reglos auf der Erde liegen. Seine Blicke ruhten auf dem Herzen. Er konnte nicht fassen, was gerade geschehen war. Er wollte es nicht fassen. Seine Liebe. Der wichtigste Mensch in seinem Leben   – Rouven hatte ihr alle Hoffnungen genommen. Er hatte ihren Traum buchstäblich zerstoßen. Er   …
    Jachael schlug mit den Fäusten gegen die Wand. Er schrie in seinem Überschwang. Er taumelte vor Entzücken. Sein Plan ging wunderbar auf. Mit Leichtigkeit zerstörte er alles, was ihm im Weg stand. Nicht mehr lange, und die Welt gehorchte ihm.
    Er lachte.
    Dröhnend.
    Schallend.
    Bis   …
    Jachael verstummte augenblicklich. Er spitzte die Ohren. Auch Rouven horchte auf. Beide glaubten sich zu täuschen, doch in diesem Moment erklang das Geräusch noch einmal. Es war ein Aufschrei, der von draußen, vor der Kapelle, zu ihnen ins Innere drang.
    Rouven vermutete eine weitere List hinter diesem Schrei. Die Stimme, die sie hörten, klang ganz wie Tabithas. Doch das war unmöglich.
    Jachaels Sinne hingegen waren sofort geweckt. »Mein Zauber!«, murmelte er. »Meine Zeitblase. Wir dürften gar nichts von außen hören. Wie kann das sein?!«
    Er stürmte an Rouven vorbei zur Tür, ohne ihn weiter zu beachten. Für ihn stellte der Wächter der Seelen im Moment keine Gefahr dar. Er wusste, dass Rouvens Schmerz über den Verlust Tabithas alles andere überwog.
    Er riss die Kapellentür auf und erstarrte. Mit offenem Mund blickte er hinaus.
    Rouven stellte sich auf. Er wollte wissen, was vor sich ging. Etwas schwach in den Beinen taumelte er zu Jachael an die Kapellentür, undaugenblicklich schrie er auf. Er rannte aus der Kapelle hinaus und ließ sich vor der Tür auf die Erde fallen. Er kniete sich neben Tabitha und drückte eine Hand gegen ihre Brust, um das viele Blut zu stoppen, das aus ihrem Körper an der Stelle floss, an der sich ihr Herz befinden sollte.
    »Tabitha«, schluchzte er. »Es ist meine Schuld. Wieder einmal. Dein Herz   … Jachael   …« Ihm fehlten die Worte. Wie hätte er auch ausdrücken können, was gerade in ihm vorging? Er drückte sie fest gegen sich. Wie einst. Wie vor sieben Jahren, als sie an dieser Stelle in seinen Armen gestorben war. Als sie zu der Untoten wurde. Doch heute Nacht atmete sie. Sie hatte nicht ihr Leben verloren. Nur alle Hoffnungen, aus ihrer untoten Situation herausfinden zu können.
    Rouven beugte sich über sie. Er drückte ihren Kopf fest gegen seine Brust und hauchte in ihr Ohr: »Das alles tut mir so schrecklich leid!«
    Er war so mit seiner Trauer beschäftigt, dass er nichts von dem wahrnahm, was um ihn herum geschah. Weder war er sich bewusst, dass Jachael noch immer fassungslos in der Tür der Kapelle stand. Noch hatte er mitbekommen, was der Grund für Jachaels Entsetzen war.
    Erst als Jachael rasend vor Wut mit den Hufen aufstampfte und einen Schrei der Bestürzung hören ließ, da fuhr Rouven aus seinem Schmerz auf und blickte sich um. Er verstand augenblicklich.
    Hinter ihm hatten sich die Seelenschützer aufgestellt. In einem Halbkreis standen sie, Hand in Hand, vor der Eingangstür der Kapelle.
    Rouven verstand augenblicklich. Tabitha hatte sie hergeführt, nachdem sie alle Seelenschützer vor dem Tod im Stollen gerettet hatte. Irgendwie hatte sie es geschafft, sie zu wecken. Und Rouven vermutete, dass sie die Familien mit der Hilfe von Mayers und Tallwitz dazu hatte bewegen können, hierherzukommen.
    Tabitha hatte verstanden, welche Kraft von den Seelenschützern ausgehen konnte, wenn sie vereint in Rouvens Nähe standen. IhrerLiebe zu Rouven und der besonderen Beziehung zueinander war es zu verdanken, dass Jachaels Zauber der zeitlosen Blase gebrochen worden war. Durch ihre Anwesenheit hatten sie diese Verbindung zu Rouven geschaffen, die selbst Jachaels Fähigkeiten überbot. So hatte Rouven aus Jachaels Zauber herausfinden können.
    Die Freude, alle Seelenschützer gesund wiederzusehen, wurde überschattet von der Gewissheit, dass für Tabitha alle Hilfe zu spät kam. Die geretteten Familien waren zu spät gekommen   – nur wenige Augenblicke. Für Tabitha war es nun zu spät.
    Aus den Augenwinkeln heraus erkannte Rouven auch Mayers und Tallwitz, die zu beiden Seiten der Menschenkette standen. Die beiden starrten wie gebannt auf das in Flammen stehende Stierwesen in der Kapellentür. Auch die Seelenschützer blickten Jachael voller Angst und Panik entgegen. Die
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