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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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ist? Lass uns ins Büro fahren und den ganzen Fall noch einmal durchsprechen. Irgendetwas stimmt hier nicht. Der Kleine hat beinahe glaubhaft gewirkt, als er sagte, er wisse nicht, was mit ihm geschieht.«
    »Und seien wir mal ehrlich: Die Tatsache, dass bisher noch keine einzige Lösegeldforderung eingegangen ist, macht den Fall nicht gerade leichter. Das alles ist so verworren und merkwürdig.«
    »Neumond-Täter!« Einer der beiden ließ noch einmal seine Spucke auf die Straße platschen. »Die Medien sind auch nicht gerade hilfreich. Das Ganze hat inzwischen so einen Batman-Touch. Gerade so, als jagten wir den Joker oder den Pinguin-Mann.«
    »Wir sollten allen erzählen, dass er uns nur mithilfe seiner geheimen Kräfte entwischt ist«, alberte plötzlich der eine.
    Sein Partner ging darauf ein: »Ja, mit einem gigantischen Megafurz hat er sich raketenartig in den Himmel katapultiert.«
    Die beiden lachten laut auf, bis einer sagte: »Komm, wir sollten aus diesem Wasserfall fliehen. Lass uns eine Currywurst suchen. Oder besser noch: Ich lade dich zum Kaffee im Präsidium ein. Lass uns alles noch einmal in Ruhe durchgehen.«
    »Oh, du bist aber spendabel. Wo uns der Kaffee dort ohnehin nichts kostet.«
    Noch einmal lachten sie auf, bevor sie in den Wagen stiegen   – in den Wagen, unter dem Rouven gerade lag. Als das Auto gestartet wurde, machte sich Rouven lang, und schon brauste das Fahrzeug über ihn hinweg.
    Rouven wagte noch immer nicht aufzuatmen. Es hätte nur einen einzigen Blick der Polizisten in den Rückspiegel gebraucht, um ihn zu entdecken. Doch der Wagen fuhr davon, und als er die roten Rücklichter um die Ecke biegen sah, konnte sich Rouven erheben und durch den kalten Regen nach Hause laufen.

V öllig atemlos stieß er die Tür auf. Noch im Schwung seines Laufes behaftet, stieß er gegen die Wand, wo er sich anlehnte, um endlich zu verschnaufen und zu Kräften zu kommen.
    Aus dem Inneren rief ihn eine bekannte Stimme: »Arthur, bist du wieder da?«
    Rouven lächelte. Es tat ihm jedes Mal so gut, ihre Stimme zu hören. Heute also war er wieder Arthur   – kein Problem.
    »Ja, Nana. Ich bin hier.«
    »Das ist gut«, antwortete sie gut gelaunt. »Ich habe gerade das Essen fertig.«
    Es stimmte. Der Duft von gebratenen Kartoffeln durchzog ihr Zuhause. Rouven ließ von der Wand ab und trat durch den langen Gang zu ihr an den Herd.
    »Riecht lecker!«
    Sie lachte. »Na, ich weiß doch, was mein Junge mag!«
    Gerade wollte Rouven antworten, als seine Aufmerksamkeit von einem kleinen Zettel abgelenkt wurde. Auf dem Tisch am Herd lag ein zusammengefaltetes Blatt.
    »Was ist das?«
    Er ging darauf zu.
    Mit einem breiten Holzlöffel hatte sie begonnen, die Kartoffeln auf zwei Teller zu verteilen. »Was meinst du?«
    Rouven ergriff den Zettel. Ein merkwürdiges Gefühl machte sich in ihm breit. Ein Gespür, dass dieser kleine Zettel wichtig sein konnte. Eine Ahnung, dass dieses Blatt Papier sein Leben beeinflussen würde.
    Seine Hand begann zu zittern. »Nana, wo kommt dieser Zettel her?«
    »Zettel?« Sie schaute auf. »Davon weiß ich nichts.«
    »Aber jemand muss ihn doch hierhergelegt haben.«
    »Ach, was du dir immer für Gedanken machst.«
    Rouven drehte sich zu ihr um. »War heute jemand hier?«
    »Du bist vorhin gekommen.«
    »Ja. Aber davor?«
    »Ich habe Kartoffeln gebraten. Für dich, Arthur. Für dich.« Sie stellte die Teller auf dem Tisch ab.
    Rouven konnte sich nicht mehr beherrschen. Das alles war so ungewöhnlich, dass sich sein ursprüngliches Gefühl noch verstärkte. Mit jeder Faser seines Körpers spürte er, dass vielleicht nichts mehr so sein würde wie bisher, wenn er nur den Zettel auseinanderfalten und anschauen würde. Alles in ihm vibrierte vor Aufregung. Am liebsten hätte er den Zettel verbrannt, zerrissen, verschluckt. Doch der Drang nachzusehen war übermächtig. Schon wanderte sein Finger an die obere Ecke und zog daran. Dann klappte der Daumen das Papier auf, und Rouven stockte der Atem. Es war, als habe jemand die Welt angehalten. Als habe ihm jemand die Atemluft gestohlen. Als habe jemand Rouven das Herz genommen.
    Fassungslos starrte er auf die Symbole. Und auf die Schrift.
    Mit roter Tinte hatte jemand einen Sichelmond gemalt, mit einer Vogelkralle darunter. Genau so, wie Rouven es von den Türen der Wohnungen kannte, in denen er erwacht war.
    Unter die Skizze hatte jemand etwas geschrieben, ebenfalls mit roter Schrift. »Suchst du dich, dann folge den Symbolen,
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