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Sichelmond

Sichelmond

Titel: Sichelmond
Autoren: Stefan Gemmel
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kamen die beiden Männer auf ihn zu. Sie mussten ihn gleich erreicht haben. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis   …
    Auf der gegenüberliegenden Seite fuhr der Bus an. Bestimmt stieg die Frau mit dem Jungen gerade ein. Rouven wartete noch einen Moment. Einen einzigen. Gerade so lange, bis er aus den Augenwinkeln die roten Schuhspitzen des Mannes zu seiner Rechten erkennen konnte, dann sprang er auf und hastete los.
    Die Männer hatten nicht damit gerechnet.
    »Stehen bleiben«, hörte er den ersten rufen.
    »Polizei«, schrie der zweite.
    Und Rouven vernahm ihre hastigen Schritte hinter sich. Die Leute drehten sich nach ihnen um. Rouven rannte über die Straße, um den stehenden Bus herum, gerade in dem Moment, als sich die Türenschlossen. Mit einem Satz sprang Rouven noch in den engen Spalt der sich schließenden hinteren Türen, als der Bus anfuhr.
    Die beiden Polizisten riefen und schrien ihnen noch nach, doch der Busfahrer schien sie nicht zu bemerken. Rouven blickte den beiden nach, bis der Bus um die Ecke bog. Dann wandte er sich um.
    Der Wagen war voll besetzt, und alle Augen waren auf ihn gerichtet. Ängstliche, erschrockene, überraschte, schockierte Blicke ruhten auf ihm. Alle Passanten hatten mitbekommen, dass die beiden Polizisten in Zivil ihn gejagt hatten. Und nun hielten sie ihn womöglich für einen Kriminellen.
    Und vielleicht stimmte das ja auch.
    Die Mutter stand mit ihrem Sohn im Gang. Gerade schob sie sich schützend vor den Jungen. Und Rouven hätte heulen können bei dem Anblick der nackten Angst in ihren Augen. Als hätte er dem Jungen etwas antun können! Undenkbar.
    Sein Leben geriet völlig aus den Fugen.
    Beharrlich ertrug Rouven die Blicke der Fahrgäste bis zur nächsten Haltestelle, dann sprang er aus dem Bus und rannte in Windeseile davon.

D u kommst spät, Michael!«
    Die vertraute Stimme tat so gut. Rouven ging zu ihr und schloss sie in die Arme. »Hallo, Nana.«
    Sie kicherte und drückte ihn fest an sich. »Was ist denn los, Michael? Hast du Sorgen?«
    »Nein«, war Rouvens klare Antwort. »Ich bin nur müde. Mir fehlt Schlaf.«
    »Na, dann leg dich doch hin. Wer müde ist, soll schlafen«, kicherte sie und setzte sich an den Tisch.
    Rouven eilte an sein Bett. Unter seinem Pullover zog er die Zeitung hervor, die er auf dem Weg hierher aus einer Kiosk-Auslage gestohlen hatte. Auch auf dieser Titelseite prangte sein Foto. Auch hier gab es die entsprechende Schlagzeile: » Endlich eine Spur von dem ›Neumond-Täter‹. « Rouven las hastig den Bericht dazu:
    »Endlich kann die Polizei einen ersten Erfolg bei der Suche nach dem sogenannten ›Neumond-Täter‹ verbuchen, der bereits dreimal in die Häuser von angesehenen Persönlichkeiten dieser Stadt eingedrungen ist, um die Bewohner zu entführen. Nach den beiden Einbrüchen der vergangenen Monate (wir berichteten) hatte eine der zahlreichen Überwachungskameras des Hauses den Täter beim Verlassen der Wohnung aufgenommen. Es zeigt einen etwa 16- bis 18-jährigen jungen Mann mit kurzen schwarzen Haaren und vermutlich tiefbraunen Augen, wie er mit einer blutenden Wunde am Arm aus der Wohnung flüchtet. Er scheint allein zu sein. Wie er das Paar entführt hat und wo es sich nun befindet, das gibt der Polizei weiterhin Rätsel auf. Noch immer ist keine Lösegeldforderung eingegangen. Ebenso w enig wie ein Lebenszeichen der zwei Ehepaare, von denen das erste bereits vor zwei Monaten entführt wurde. Auch für die ominösen Schriftzeichen an den Türen der aufgebrochenen Wohnungen   – jeweils eine Mondsichel, eine gezeichnete Vogelkralle sowie ein Buchstabe darunter   – hat die Polizei keine Erklärung. Es scheint, als ziehe sich die Suche nach dem Neumond-Täter noch weiter in die Länge. Die Polizei bittet nun die Bevölkerung um Mithilfe. Wenn Sie den jungen Mann auf dem Foto kennen oder ihn gesehen haben, so informieren Sie bitte die nächste Polizeidienststelle.
    Die ganze Stadt fürchtet sich bereits vor einem erneuten Angriff dieses Kriminellen, der seinen besonderen Namen übrigens Vertretern der Presse verdankt. Nachdem sich alle drei Einbrüche und die dazugehörigen Entführungen stets in Neumondnächten ereignet haben, wird er derzeit bloß als ›der Neumond-Täter‹ bezeichnet.«
    Mit vor Erstaunen weit geöffnetem Mund ließ Rouven die Zeitung sinken. Zwar hatte er schon an der Bushaltestelle die Schlagzeile um den »Neumond-Täter« gelesen, doch dort war er zu sehr mit Fluchtgedanken beschäftigt
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