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Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)

Titel: Sherlock Holmes und die Moriarty-Lüge (German Edition)
Autoren: J. J. Preyer
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erhöhte Temperatur geschlossen, bei sich selbst vermutete er eine verborgene, geheimnisvolle Erkrankung, möglicherweise eine Vergiftung, da er sonst nicht zu solchen Gemütszuständen neigte. Er würde Doktor Solvay, einen Studienkollegen, heranziehen, um endlich wieder zur Ruhe zu kommen und von den qualvollen Phantasien und Träumen erlöst zu werden.
    Wie würde sich Sherlock Holmes in einer solchen Situation verhalten, außer zu Kokain zu greifen? Diese Substanz war dem erfahrenen Mediziner zu gefährlich. Es hieß den Teufel mit Beelzebub auszutreiben.
    Der Teufel. Die Schlange. Die Lüge. Erneut fand sich Watson in jenem Zustand des Halbschlafes, in dem ihn dunkle Bilder verfolgten.
    Holmes würde seinen Verstand einsetzen, die Situation analysieren, Lösungen entwickeln.
    »Mein lieber Watson«, würde er sagen, und allein die Erinnerung an diese Worte trieb dem Doktor Tränen in die Augen. »Mein lieber Watson. So verständlich auch die Verwirrung nach dem Verschwinden Ihrer geschätzten Frau ist ...«
    »Vom Verlust Ihrer Person zu schweigen«, würde er selbst sagen.
    »Danke, Watson. Sehr aufmerksam. Also, so verständlich Ihr beklagenswerter Zustand ist, er bedeutet keinen Fortschritt in der Sache selbst. Überlegen Sie. Gibt es Leichen? Nein. In beiden Fällen existiert kein objektiver Beweis für den Tod der betreffenden Person. Der methodisch vorgehende Denker fragt sich demnach, warum das so ist. Die Antwort: zwei merkwürdige Zufälle oder ein Plan dahinter. Und weil Sie wissen, was ich von Zufällen halte, suchen Sie nach dem Muster, dem Plan.«
    »Aber ich weiß doch nicht ...«
    »Und ob Sie es wissen, Watson. Sie müssen sich nur erinnern. Wie sind die letzten Minuten vor dem Verschwinden der geschätzten Mary Watson verlaufen, in welchem Zustand war sie? Ahnte sie etwas?«
    »Wir waren in Meiringen, in der Schweiz.«
    »Mit Mary?«, fragte Holmes, boshaft lächelnd.
    »Sie und ich«, ließ sich Watson nicht beirren. »4. Mai 1891, Meiringen in der Schweiz. Eine Tour in die Berge, nach Rosenlaui, um die Reichenbach-Fälle zu besichtigen. Ein fürwahr beeindruckender Anblick. Das durch die Schneeschmelze angeschwollene Gewässer stürzte in einen Abgrund, von dem die Gischt nach oben rollte wie Rauch aus einem brennenden Gebäude.«
    »Sie lassen sich schon wieder von Ihrer Phantasie mitreißen, Watson«, würde Holmes sagen. »Bleiben Sie bei den Fakten!«
    »Aber das sind doch die Fakten«, würde er protestieren.
    »Das sind Details, die Ihnen nicht weiterhelfen. Denken Sie an den Ausgangspunkt, folgen Sie der Linie und Sie werden das Ziel erreichen.«
    »Reichenbach-Fälle«, wiederholte der Doktor. »Ein Diener brachte uns die Nachricht, dass im Hotel ein Arzt benötigt werde. Blutsturz einer englischen Lady, die an Schwindsucht litt. Ich eilte ins Hotel. Das war es.«
    »Nein, es gab noch mehr«, widersprach Watson seinem Freund.
    »Das war der Augenblick, in dem ich Sherlock Holmes zum letzten Mal sah.«
    »Richtig. Bleiben Sie präzise!«
    »Im Hotel wusste man nichts von dem Diener, auch existierte keine kranke englische Lady. Alles eine Lüge, um uns zu trennen und Sie zu verderben.«
    »Und warum waren wir dort?«
    »Weil, weil ...«
    »Wegen Professor Moriarty, vor dem wir uns in Sicherheit brachten, nach mehreren Anschlägen hier in London.«
    »Ja. So muss es gewesen sein.«
    »Zweifel, Watson?«
    »Nein, keine Zweifel.«
    Watson erinnerte sich der letzten schriftlichen Worte, die sein Freund in einem silbernen Zigarettenetui auf drei Seiten seines Notizbuches hinterlassen hatte: Lassen Sie bitte Mrs. Watson grüßen , hieß es am Ende dieser Aufzeichnungen.
    Und nun war auch Mrs. Watson verschwunden, auf eine ganz ähnliche Weise.
    »Details, mein lieber Watson! Nur Exaktheit kann weiterhelfen. War Mrs. Watson irgendwie anders in letzter Zeit, besorgter, scheu?«
    »Sie war noch liebevoller, noch wärmer als am Anfang. Die Beziehung zwischen uns hatte sich vertieft. Manches Mal schaute sie mich unendlich traurig an. Und auch das muss gesagt werden, auch wenn es nichts zur Sache beiträgt. Mary wurde schöner mit jedem Tag, ihr Ausdruck nahm an Kraft zu, obwohl ihr Körper der eines zarten und zerbrechlichen Wesens blieb. Ihre hellen blauen Augen erinnerten mich an das Schmelzwasser von Gebirgsbächen im Frühjahr, ihre Lippen waren heiß und weich, ihr Haar ...«
    »Und der letzte Tag?«, würde Holmes ihn unterbrechen.
    »Ganz einfach. Es war der siebente Februar, ein Donnerstag.
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