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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud
Autoren: Nicholas Meyer
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Aufenthalten in den alten Räumen in der Baker Street. Dann saßen wir vor dem Kamin, rauchten unsere Pfeifen, und Holmes berichtete mir von seinen neuesten Fällen.
    Aber dabei blieb es nicht lange. Holmes’ Besuche wurden immer sporadischer und kürzer. Und mit dem Anwachsen meiner Praxis wurde es auch schwieriger für mich, diese seltenen Besuche zu erwidern.
    Im Winter 90/91 sah ich ihn überhaupt nicht; ich entnahm lediglich den Zeitungen, daß er in Frankreich mit einem Fall beschäftigt war. In zwei kurzen Schreiben – das eine in Narbonne, das andere in Nimes datiert – teilte er mir mit, was er zu der Sache zu sagen bereit war. Und das war nicht viel. Offenbar war seine Zeit mit anderen Dingen ausgefüllt.
    Ein regenreicher Frühling trug dazu bei, meine kleine, aber solide Praxis zu erweitern, und es wurde April, ohne daß ich von Holmes gehört hatte. Es war, in der Tat, der 24. April, und ich war soeben dabei, die Unordnung eines Arbeitstages aus meinem Praxisraum zu entfernen (den Luxus einer Sprechstundenhilfe konnte ich mir noch nicht leisten), als mein Freund eintrat.
    Ich war erstaunt, ihn zu sehen – nicht etwa wegen der späten Stunde seines Besuches (denn ich war an sein Kommen und Gehen zu allen möglichen Zeiten gewöhnt), sondern wegen der Veränderung, die mit ihm vorgegangen war. Er schien schmaler und bleicher als gewöhnlich – dabei war er ohnehin immer hager und blaß. Seine Haut war von eindeutig ungesunder Blässe, und seine Augen ließen das gewohnte Funkeln vermissen. Statt dessen rollten sie ruhelos in den Höhlen und – so schien es – nahmen ihre Umgebung in sich auf, ohne sie wirklich zu sehen.
    »Haben Sie etwas dagegen, daß ich die Läden schließe?« – Das waren praktisch seine ersten Worte. Bevor ich antworten konnte, schob er sich mit großer Geschwindigkeit an der Wand entlang, warf mit einem plötzlichen Ruck die Läden zu und verriegelte sie sorgfältig. Zum Glück brannte eine der Lampen im Zimmer, und bei ihrem Licht sah ich die Schweißperlen über sein Gesicht rinnen.
    »Luftgewehre.« Er nahm eine Zigarette aus der Tasche und suchte mit unsicheren Händen nach einem Streichholz. Ich hatte ihn noch nie so nervös gesehen.
    »Hier.« Ich gab ihm Feuer. Über die unruhige Flamme hinweg sah er mich einen Augenblick lang scharf an; er hatte mein basses Erstaunen über sein Benehmen ganz zweifellos wahrgenommen.
    »Entschuldigen Sie den späten Besuch!« Er zog mit einem raschen Zurückwerfen des Kopfes dankbar den Rauch ein. »Ist Mrs. Watson zu Hause?« fuhr er fort, bevor ich auf seine Entschuldigung eingehen konnte. Er ging in dem kleinen Raum auf und ab, ohne auf meine erstaunten Blicke zu achten.
    »Sie ist ausgegangen.«
    »In der Tat! Sind Sie allein?«
    »Ja.«
    So plötzlich, wie er begonnen hatte, hielt er inne und blickte mich an. Er sah den Ausdruck in meinem Gesicht, und der seine milderte sich.
    »Mein Guter, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig. Sie müssen all dies äußerst bizarr finden.«
    Ich war gerne bereit, das zuzugeben, und lud ihn ein, sich ans Feuer zu setzen und einen Brandy mit mir zu trinken. Er erwog den Vorschlag, mit einem konzentrierten Gesichtsausdruck, der komisch gewesen wäre, hätte ich ihn nicht als einen Mann gekannt, der sich niemals über Kleinigkeiten aufregte. Er gab schließlich seine Zustimmung unter einer Bedingung: Er wollte mit dem Rücken zum Kamin auf dem Boden sitzen.
    Als wir uns mit unseren Gläsern vor dem frisch geschürten Feuer im Wohnzimmer niedergelassen hatten – ich in meinem Armsessel und Holmes auf dem Fußboden –, wartete ich neugierig auf eine Erklärung. Er nahm einen oder zwei Schluck Brandy und kam direkt zur Sache.
    »Haben Sie jemals von Professor Moriarty gehört?« fragte er.
    Ich kannte diesen Namen allerdings, verschwieg es aber. Moriarty, den Namen hatte ich ihn manchmal ausrufen hören, wenn er sich in den Paroxysmen einer Kokain-Injektion befand. Wenn die Wirkung der Droge nachgelassen hatte, erwähnte er den Mann jedoch nie. Und obwohl ich ihn schon immer gerne nach dem Namen und seiner Bedeutung gefragt hätte, war es nie dazu gekommen. Es war etwas in Holmes’ Gebaren, das solche Fragen ausschloß. Er wußte ohnehin, daß ich seine widerliche Angewohnheit von Herzen ablehnte, und ich hatte nicht den geringsten Wunsch, diesen Streitpunkt zwischen uns zu vergrößern, indem ich auf sein Verhalten unter dem Einfluß des Rauschgifts Bezug nahm.
    »Niemals.«
    »Ah, genau
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