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Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud

Titel: Sherlock Holmes und der Fall Sigmund Freud
Autoren: Nicholas Meyer
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Enthüllung muß natürlich Kontroversen auslösen, um so mehr, da aus ihr auch hervorgeht, daß ich zwei berühmte Fälle einfach erfand. Einige meiner aufmerksamen Leser haben immer wieder auf die angeblichen Widersprüche in meinen Schriften, auf meine nicht immer korrekten Namen und Daten hingewiesen und allerhand Beweise dafür vorgelegt, daß ich ein stümperhafter Narr oder zumindest ein zerstreuter und kindsköpfiger Greis sei. Die klügeren – oder vielleicht auch nachsichtigeren – unter den Kennern meiner Werke vertreten die Meinung, daß meine Irrtümer absichtliche Irreführungen seien. Es ist nicht meine Absicht, hier etwas richtigzustellen. Eine entschuldigende Erklärung muß genügen: Ich habe die Fälle oft in größter Eile aufgezeichnet und manchmal den einfachsten Ausweg gewählt, wenn Takt und Diskretion eine Verschleierung geboten. Rückblickend stelle ich fest, daß es einfacher gewesen wäre, die Wahrheit zu schreiben. Aber dazu besaß ich weder die Dreistigkeit noch, in manchen Fällen, die Skrupellosigkeit.
    Aber die erwähnten scharfsinnigen Leser haben niemals jene beiden Fälle verdächtigt, die tatsächlich aus der Luft gegriffen waren. Ich spreche nicht von Fälschungen aus fremder Hand, von albernen Machwerken wie ›Die Mähne des Löwen‹, ›Der dunkelblaue Stein‹, ›Der kriechende Mann‹ und ›Die drei Giebel‹.
    Ich meine ›Das letzte Problem‹ mit seiner Beschreibung des tödlichen Duells zwischen Holmes und seinem Erzfeind, dem üblen Professor Moriarty, und ›Das leere Haus‹, in dem das dramatische Wiederauftauchen Sherlock Holmes’ und seine dreijährigen Wanderungen durch Europa, Afrika und Indien geschildert sind. Ich habe die beiden Fälle gerade wieder durchgelesen und muß sagen, daß ich über meine eigene Ungeschicklichkeit entsetzt bin. Wie konnte meinen Lesern die Übertriebenheit meiner Beteuerungen entgehen, daß es sich um ›die Wahrheit‹ handle? Und die theatralischen Stilblüten, die so viel mehr Holmes’ Geschmack entsprachen als meinem? (Denn obwohl er sich als kalter Logiker ausgab, hatte er einen Hang zum Romantischen und Melodramatischen.)
    Sherlock Holmes hat es oft genug gesagt: Indizien, die eindeutig in eine Richtung zu zeigen scheinen, können plötzlich das Gegenteil bedeuten, wenn man sie aus leicht veränderter Perspektive betrachtet. So ist es auch beim Schreiben. Meine wiederholten Versicherungen, daß ›Das letzte Problem‹ die ungetrübte Wahrheit enthalte, hätte bei meinen Lesern Verdacht erwecken sollen.
    Ich bin jedoch froh, daß es unterblieb; denn wie man sehen wird, war Geheimhaltung von größter Wichtigkeit. Jetzt, da die von Holmes gestellten Bedingungen erfüllt sind, kann ich die Wahrheit berichten.
    Ich habe einfließen lassen, daß ich siebenundachtzig Jahre alt bin, und obwohl mein Verstand mir sagt, daß mein Ende nahe ist, sind meine Gefühle nicht auf den Tod eingestellt, genausowenig wie bei jemandem, der erst halb so alt wie ich ist – oder sogar noch jünger. Dennoch muß ich meinen Jahren die Schuld geben, daß der vorliegenden Erzählung die Prägnanz meines gewohnten Stils abgeht. Zum Teil liegt das auch daran, daß ich seit Jahren nicht mehr geschrieben habe. Auch daß ich ohne Notizen arbeiten mußte, hat sich auf das Buch ausgewirkt, sei mein Gedächtnis noch so gut.
    Eine andere Ursache für meinen veränderten Stil ist, daß ich meiner Arthritis wegen nicht mehr selbst schreiben kann und diesen Text einer liebenswürdigen Dame, einem Fräulein Dobson, diktieren muß. Sie hält alles in einer Art verkürzter Schlüsselschrift fest und wird es, wie sie sagt, anschließend ins Englische übertragen.
    Schließlich mag mein Stil verändert erscheinen, weil dieses Abenteuer keinem anderen gleicht, das Sherlock Holmes je zu bestehen hatte. Einen Fehler werde ich nicht wieder begehen: Ich werde nicht versuchen, die Skepsis meiner Leser damit zu beschwichtigen, daß ich das vorliegende als die Wahrheit ausgebe.

    John H. Watson, M.D.

    Aylesworth Home

    Hampshire, 1939

Teil Eins

    DAS PROBLEM

KAPITEL EINS

    Professor Moriarty

    Im Vorwort zu meinem Buch ›Das letzte Problem‹ habe ich bereits erwähnt, daß meine Verheiratung und die darauf folgende Eröffnung einer Privatpraxis eine subtile, doch bemerkbare Änderung meiner Freundschaft mit Sherlock Holmes herbeiführten. Zunächst besuchte er mich regelmäßig in meinem neuen Heim, und ich erwiderte diese Visiten nicht selten mit kurzen
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