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Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel

Titel: Sherlock Holmes - Der verwunschene Schädel
Autoren: Alisha Bionda
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traf bei Ms Wilson nicht auf Gegenliebe.
    Ich hegte manches Mal sogar den Verdacht, sie wolle die mütterliche Rolle, die sie mangels eigener Kinder nicht innehaben konnte, an mir erproben.
    Zu meinem Glück ging ihre damit verbundene Fürsorge nicht so weit, dass sie den Inhalt meiner Reisetasche sortierte. Ms Wilson wäre entsetzt gewesen, weil ich für alle Fälle meine Webley in ein Tuch eingewickelt und in der Tasche verstaut hatte. Der handliche Revolver gab mir ein Gefühl der Sicherheit, obwohl ich ihn lange Zeit nicht mehr angerührt, geschweige denn damit geschossen hatte.
    Doch mir ging durch den Kopf, wie Holmes bei einem unserer letzten Gespräche sein neu erwachtes Misstrauen gegenüber den irischen Freischärlern, wie er sie nannte, bekundete. Die Nachrichten, da musste ich ihm recht geben, beunruhigten in den Tagen nach dem großen Krieg auch mich. Nicht zuletzt erinnerte ich mich daran, dass er selbst vor einigen Jahren – 1912, um genau zu sein – in die Vereinigten Staaten reiste, um sich dort in eine irische Organisation einzuschleichen, die im Untergrund arbeitete und einen Umsturz in Irland plante. Was er dort erlebte und inwiefern er erfolgreich war, erzählte mir Holmes nicht. Er ignorierte meine diesbezüglichen Fragen, bis ich es letztlich aufgab.
    Als ich den Brief von Holmes ein letztes Mal vor meiner Abfahrt in die Hand nahm, fragte ich mich, ob er nicht eine alte Geschichte aufgerührt hatte und deswegen in Bedrängnis geraten war. Ich würde es herausfinden, auch wenn Ms Wilson ihr Missbehagen vor meiner Abreise mit der Kutsche nochmals durch ein energisches Kopfschütteln kundtat.
    Zu meinem Leidwesen langweilen mich weite Reisen. Die Landschaft zwischen London und dem Städtchen Holyhead an der Irischen See schleicht viel zu gemächlich vorbei, obwohl ich mir für die Zugreise die 1. Klasse gegönnt hatte. Eine halbe Tagesreise verbrachte ich bei einem ermüdenden Gespräch mit einem der neureichen Herren aus London, die in meinen Augen als Kriegsgewinnler dastehen und ihren Profit aus der Not anderer ziehen.
    Die Greenore – eine heruntergekommene Fähre, aber bequem genug ausgestattet, dass ich an Deck sitzen und die kühle Brise genießen konnte – legte pünktlich in Dublin am Carlisle Pier an, wo ich ungebührlich lange auf eine Kutsche warten musste. Meine Ungeduld bekam der Kutscher zu spüren, den ich mit einem mageren Trinkgeld abspeiste.
    Holmes war in einem der besten Häuser am Platze abgestiegen.
    Das Shelbourne Hotel verströmte eine gediegene Atmosphäre, der ich mich trotz der Eile nicht verschließen konnte. Mein Freund bewohnte ein Zimmer in der vierten Etage. Zu meiner Erleichterung stand gleich nebenan ein Zimmer zur Verfügung, das ich auf der Stelle für eine unbestimmte Zeit belegte.
    Auf mein Klopfen ertönte ein verhaltenes „Kommen Sie herein, Watson.“ Selbst durch die Tür hörte sich seine Stimme seltsam dünn an. Ich trat entschlossen ein. Offensichtlich war auch dem Hotelpersonal nicht verborgen geblieben, wie es um den Mann in Zimmer 421 stand, denn der Hoteldiener, der meine Reisetasche getragen hatte, schloss die Tür behutsam hinter sich. Danach widmete ich mich unverzüglich Holmes. Dieser hatte es dringend nötig, wie ich auf den ersten Blick erkannte.
    „Mein lieber Watson, Sie haben sich Zeit gelassen.“ Er betonte jede einzelne Silbe, als ob das Sprechen eine große Anstrengung für ihn darstellte. Ich legte ihm eine Hand an die Stirn. Er litt an hohem Fieber. Seine Augen stierten mich glasig an. Trotzdem winkte er mit ungewohnt fahriger Handbewegung ab. „Diesmal sind es nicht die Drogen, Watson.“ Dann verstummte er, um Kraft zu sammeln. Er stemmte sich hoch, während ich in aller Hast meine Reisetasche nach dem Stethoskop durchsuchte.
    „Machen Sie sich frei, Holmes, ich will sehen, was Ihnen fehlt.“ Holmes befolgte meine Aufforderung, worauf ich seinen Rücken abklopfte und seinen Brustraum abhörte. Er atmete unruhig.
    „Sie werden nichts finden, mein guter Doktor. Ich habe Fieber und Schüttelfrost, sonst geht es mir den Umständen entsprechend gut.“ Ich musterte ihn und schüttelte den Kopf. Sein Gesicht wirkte eingefallen und ausgezehrt. Er hatte sicher seit Tagen nichts mehr gegessen und zu wenig getrunken. Was ihm letztlich fehlte, konnte ich nicht auf Anhieb sagen.
    „Wenn es Ihnen gut ginge, dann hätten Sie mir nicht die Nachricht zukommen lassen. Ihr Fieber ist bedenklich hoch. Seit wann klagen Sie
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