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Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)

Titel: Sheila Levine ist tot und lebt in New York (German Edition)
Autoren: Gail Parent
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war gerade dabei, mich für einen dieser tollen Männer zu entscheiden, als die beiden sich ineinander verliebten. Überrascht? Und ich erst!
    Mir ist inzwischen klar, warum ich damals so lange nichts merkte. Wie soll man einem Mann, der es mit einem anderen treibt, auf die Schliche kommen? Es gibt keine Lippenstiftspuren auf Hemden oder Zigaretten. Keine Unterwäsche, die zufällig liegen bleibt. Keinen Verlobungsring.
    Wie soll man es also rauskriegen? Es gibt schon Mittel und Wege. Hört gut zu, ihr weiblichen Singles, falls euch das, was mir passiert ist, auch passieren sollte. Wichtig ist, dass ihr euch die Garderobe genau anschaut. Männer, die miteinander schlafen, leihen sich oft Sachen voneinander aus. Zum Beispiel sah ich bei Joshua ein Hemd von Hinley, bei Hinley einen Gürtel von Joshua. Die Wildlederjacke wanderte von dem einen zum anderen. Um sich Klarheit zu verschaffen, ist das der beste Weg.
    Auch ihre Art zu reden wird sich immer ähnlicher. Ausdrücke wie »Alles paletti?« und »Richtig!« häuften sich. Statt »Tschüss« sagen sie »Bis später«, aber solche Feinheiten hört nur ein geübtes Ohr.
    Eine dritte Möglichkeit, sich schlau zu machen – und sie haut wirklich hin –, sind Platten. Wenn zwei Typen sichdas Bett teilen, kaufen sie sich gewöhnlich auch nur ein Album. Verlasst euch auf Sheila. Ich kenn mich aus. An dem Tag, an dem ich Carnival bei Professor Hinley sah und beide von ihrem Album sprachen, war mir alles klar. So sexy Füße – was für eine Verschwendung.
    Die Abschlussfeier an der NYU ist schrecklich. Das ist allgemein bekannt. Was gibt es auch schon zu feiern? Ich hab nicht einmal ein Foto fürs Jahrbuch machen lassen. Ein niederschmetternder Gedanke, vier Jahre lang bin ich aufs College gegangen und habe außer einem Diplom nichts aufzuweisen. Keinen Ehemann. Meiner Mutter muss es vorgekommen sein, als wäre meine Mitgift ins Klo gekippt worden.
    Im Theater-Department geht keiner auf die Abschlussfeier. Am letzten Prüfungstag verabschiedete ich mich von meinen Kommilitoninnen und habe von den meisten nichts mehr gesehen oder gehört. Ein wirklich vielversprechender studentischer Theaterzirkel! Einen sah ich mal in einem Werbespot, und das war’s auch.
    Sheila Levine plante also, nicht an der Feier teilzunehmen. Doch Sheila Levines Mutter verursachte ihr schwerste Schuldgefühle deswegen.
    Klopf … klopf … klopf. Ich hörte meine Mutter gegen meine Schlafzimmertür trommeln.
    »Sheila, deine Mutter!« Tatsächlich, und ich dachte, es wäre Daddy mit seinen langen, spitzen Fingernägeln.
    Sie kam hereinspaziert, bedeckt mit Feuchtigkeitscremes. Keine Ahnung. Vielleicht nützt es ja was. Die Leutewaren immer bass erstaunt, wenn sie hörten, dass sie eine Tochter hat, die aufs College ging.
    »Du siehst selber aus wie ein College-Girl«, sagten sie.
    »Sheila, dein Vater weiß nicht, dass ich mit dir rede. Er ist nicht die Art von Mann, die immer die richtigen Worte findet, aber er ist sehr emotional. Ich weiß, er wäre todtraurig, wenn er bei der Graduierung seiner ältesten Tochter nicht dabei sein könnte.«
    »Okay.«
    Ein Glückspilz. Er kann gleichzeitig zur Abschlussfeier und zur Beerdigung seiner Tochter gehen. Eine sehr rücksichtsvolle Tochter!
    Ich graduierte also am heißesten Tag des Jahres. Stolz und etwas melancholisch stand ich unter den anderen Uni-Absolventen der pädagogischen Fakultät auf dem Uptown Campus, einem Ort, den ich nie zuvor gesehen hatte, weit weg von meinen Eltern. Wir nahmen unsere Abschlusszeugnisse nicht persönlich in Empfang – das hätte viereinhalb Tage gedauert. Nicht einmal unsere Namen wurden verlesen. Die zukünftigen Ärzte legten ihren hippokratischen Eid im Chor ab. Dann gab es eine Rede über Abschluss und Anfang. Das Mikro funktionierte nicht richtig. Die ganzen zukünftigen Techniker saßen da, ohne sich um das Knistern zu kümmern.
    Ich bemühte mich nach Kräften, etwas zu empfinden, konnte aber nur an meine Haare denken. Ich hatte sie gerade in einem Laden auf der Tenth Avenue glätten lassen, wo angeblich auch viele Negroes hingingen – Negroes war damals die korrekte Bezeichnung. Ich hab zwar nie irgendwelche Negroes dort gesehen, dafür aber jede Menge jüdischer Mädchen mit krausem Haar. Ich spürte, wie meine Haare sich unter dem Doktorhut kräuselten und sich vordrängen wollten. Das beschäftigte mich die ganze Zeit, während meine Mutter mit ihrer Kodak und mein Vater mit seiner Yashica sich die
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