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Dunkler Rausch der Sinne

Dunkler Rausch der Sinne

Titel: Dunkler Rausch der Sinne
Autoren: Christine Feehan
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    Prolog
     
    Lucian
    Walachei, 1400
    Das Dorf war viel zu klein, um der Armee Widerstand zu leisten, die es
zu überrollen drohte. Nichts hatte den Vormarsch der Osmanen aufhalten können.
Alles auf ihrem Weg war zerstört, jedermann ermordet, brutal abgeschlachtet worden.
Leichen staken auf spitzen Pfählen und wurden als Beute für Aasfresser
zurückgelassen. Blut floss in Strömen. Niemand wurde verschont, weder kleine
Kinder noch die Alten. Die Angreifer folterten, brandschatzten und
massakrierten. Sie ließen nichts als Feuer, Tod und Ratten zurück.
    In dem Dorf herrschte Totenstille; nicht einmal die Kinder wagten zu
weinen. Die Menschen starrten einander nur voller Verzweiflung und
Hoffnungslosigkeit an. Niemand würde ihnen helfen, nichts würde das Massaker
verhindern. Sie würden zugrunde gehen, so wie die Bewohner all der anderen
Dörfer, die diesem furchtbaren Feind zum Opfer gefallen waren. Sie waren zu
wenige und hatten nur ihre bäuerlichen Waffen, um sich gegen die vorrückenden
Horden zur Wehr zu setzen. Sie waren hilflos.
    Plötzlich tauchten wie aus dem
Nichts zwei Krieger aus der nebelverhangenen Nacht auf. Sie bewegten sich wie
eine Einheit, in vollständiger Übereinstimmung, in einem Rhythmus und mit der
Anmut eines Raubtiers, geschmeidig und völlig lautlos. Sie waren beide groß und
breitschultrig, mit wallendem Haar und Augen, in denen der Tod lag. Einige
Leute behaupteten, sie könnten die roten Flammen der Hölle in den Tiefen jener
eisigen schwarzen Augen lodern sehen.
    Erwachsene Männer gingen ihnen aus dem Weg; Frauen wichen hastig in den
Schatten zurück. Die Krieger blickten weder nach links noch nach rechts, sahen
aber alles. Eine Aura von Macht umgab sie wie eine zweite Haut. Als der
Dorfälteste zu ihnen trat, blieben sie stehen und verharrten so regungslos wie
die Berge, ein Stück oberhalb der verstreuten Hütten, von wo sie auf das leere,
grasbewachsene Land starrten, das sich zwischen ihnen und dem Wald erstreckte.
    »Was gibt es Neues ?«, fragte der Dorfälteste. »Wir haben von den
Gemetzeln überall im Land gehört. Jetzt sind wir an der Reihe. Und nichts kann
diese Todesflut aufhalten. Wir können nirgendwo hingehen, Lucian, haben keinen
Ort, wo wir unsere Familien verstecken können. Wir werden kämpfen, aber wie alle
anderen werden wir besiegt werden.«
    »Wir sind heute Nacht in großer Eile, alter Mann, denn wir werden an
einem anderen Ort gebraucht. Es heißt, unser Prinz wäre erschlagen worden. Du
warst immer ein guter, braver Mann. Gabriel und ich werden tun, was wir können,
um euch zu helfen, bevor wir weiterziehen. Der Feind kann bisweilen sehr
abergläubisch sein.«
    Seine Stimme war klar und schön und weich wie Samt. Wer dieser Stimme
lauschte, konnte nicht anders, als das zu tun, was Lucian befahl. All jene, die
sie vernahmen, hatten den Wunsch, sie immer wieder zu hören. Seine Stimme
allein konnte verzaubern, verführen - und töten.
    »Geht
mit Gott«, wisperte der Dorfälteste dankbar.
    Die beiden Männer wanderten
schweigend und in vollkommener Übereinstimmung weiter. Sowie sie vom Dorf aus
nicht mehr zu sehen waren, nahmen sie in ein und demselben Moment eine andere
Gestalt an und verwandelten sich in Eulen. Mit kräftigen Flügelschlägen erhoben
sie sich weit über die Baumgrenze und hielten nach der schlafenden Armee Ausschau.
Einige Meilen vom Dorf entfernt hatten Hunderte Männer ihr Lager
aufgeschlagen.
    Nebel senkte sich in dicken weißen Schwaden auf die Erde. Von einem
Augenblick auf den anderen herrschte völlige Windstille, sodass kein Lufthauch
die undurchdringlichen Dunstschleier bewegte. Ohne Vorwarnung stießen die
Eulen vom Himmel herab, ihre messerscharfen Klauen direkt auf die Augen der
Wachtposten gerichtet. Die Vögel schienen überall zu sein und stets
gleichzeitig zuzuschlagen, sodass sie wieder verschwunden waren, ehe jemand
den Posten zu Hilfe kommen konnte. Schreie des Entsetzens und der Qual
zerrissen die Stille. Die Soldaten fuhren hoch, packten ihre Waffen und suchten
in dem dichten weißen Nebel nach dem Feind. Sie sahen nur ihre eigenen
Wachtposten. Leere Höhlen klafften dort, wo einmal ihre Augen gewesen waren,
und Blut strömte über ihre Gesichter, als sie blindlings davonrannten.
    Im Zentrum der Heerschar war ein lautes Knacken zu hören, dann noch
eines. Ein Schlag folgte blitzschnell auf den nächsten, und zwei Beihen
Soldaten sanken mit gebrochenem Genick auf den Boden. Es war, als hielten sich
in dem dichten
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