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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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Menschen möglich – es wäre natürlich dumm, aber vielleicht läßt es sich annehmen – einzuwenden, daß all die Vorfälle zufällige Fügungen waren – und daß der Bär nicht von Gott gesandt war –?«
    Er brach einigermaßen erschrocken ab. Jetzt hatte er bestimmt mehr gesagt, als er sollte. Er mußte vorsichtiger sein.
    Der Statthalter schwieg so lange, daß Siristru schon fürchtete, ihn beleidigt zu haben. Das wäre höchst unangenehm, und er würde den Schaden wiedergutmachen müssen. Er wollte gerade wieder sprechen, da blickte der Statthalter halb lächelnd auf, wie jemand, der zwar weiß, was er sagen will, der aber über die eigene Ausdrucksschwierigkeit lachen muß. Dann sagte er endlich: »Eure Tiere, von denen du sprachst, die wir euch abkaufen sollen – auf deren Rücken ihr sitzt und die euch in schnellem Lauf tragen – «
    »Die Pferde. Ja?«
    »Sie müssen wohl gescheit sein – klüger als Ochsen, nehme ich an.«
    »Das ist schwer zu sagen – vielleicht ein wenig klüger. Warum?«
    »Wenn in ihrer und unserer Hörweite Musik gespielt würde, würden ihre Ohren doch wohl alle Töne hören, die du und ich vernehmen würden. Dennoch würden sie sie kaum verstehen. Du und ich, wir würden vielleicht weinen, sie nicht. Die Wahrheit – wer sie hört, zweifelt nicht daran. Es gibt aber immer andere, die tatsächlich wissen, daß nichts Ungewöhnliches vorgefallen ist.«
    Er bückte sich und warf ein Holzscheit ins Feuer. Das Licht des Nachmittags begann zu schwinden. Der Wind hatte sich gelegt, und Siristru konnte durch das Fenster sehen, daß der Ruß nun ruhig am Ufer vorbeiströmte. Wenn die morgige Überfahrt frühzeitig stattfand, würde sie vielleicht weniger furchterregend sein.
    »Ich bin sehr weit gewandert«, sagte der Statthalter nach einer Weile. »Ich sah, wie die Welt geschmäht und zerstört wurde. Aber heute habe ich keine Zeit, dabei zu verweilen. Die Kinder, weißt du – die brauchen unsere Zeit. Früher einmal pflegte ich zu beten: ›Nimm mein Leben hin, Shardik, unser Herr!‹ – das Gebet wurde erhört. Er nahm es an.«
    Nun fühlte sich Siristru endlich auf vertrautem Boden. In seiner Erfahrung war die Beseitigung eines Schuldgefühls die Funktion der meisten, wenn nicht aller Religionen.
    »Du glaubst, daß Shardik fortnimmt – äh – daß er dir verzeiht?«
    »Nun, das weiß ich nicht«, sagte der Statthalter. »Aber wenn man weiß, was man zu tun hat, spielt die Verzeihung eine geringere Rolle – die Arbeit ist zu wichtig. Gott weiß, ich habe gesündigt, aber das ist jetzt alles vorbei.«
    Er brach ab, als eine Bewegung an der Tür des dunkelnden Raumes vernehmbar wurde. Ankray trat ein und blieb erwartungsvoll stehen. Der Statthalter rief ihn zu sich.
    »Es sind einige Kinder da, die dich sprechen wollen, Herr«, sagte der Mann. »Ein paar neue, die gestern kamen – Kavass hat sie hergebracht. Und der Junge am Landungssteg, dieser Schreihals – «
    »Kominion?«
    »Nun ja, manche nennen ihn so«, räumte Ankray ein. »Also der Baron hätte – «
    »Gleichviel, was will er?«
    »Er sagt, er braucht Order für morgen, Herr.«
    »Gut, ich werde zu ihm gehen und zu den anderen auch.«
    Der Statthalter wandte sich zur Tür, da kam zögernd ein vielleicht sechsjähriger Knabe herein, blickte sich unsicher um, blieb stehen und starrte ernst zu ihm hinauf. Siristru beobachtete ihn belustigt.
    »Tag«, sagte der Statthalter, den Blick des Kindes erwidernd. »Was suchst du?«
    »Ich such den Herrn Statthalter. Die Leute draußen sagten – «
    »Nun, ich bin der Herr Statthalter, und du kannst mit mir kommen, wenn du willst.« Er hob das Kind mit einem Schwung hoch, da trat Melathys ein. Sie schüttelte lächelnd den Kopf.
    »Wo bleibt deine Würde, mein liebster Kelderek, du Kinderspielfreund? Was soll der Gesandte denken?«
    »Er wird denken, ich sei eines der flinken Tiere, die er uns verkaufen wird. Sieh doch!« Und er lief mit dem Kind auf den Schultern aus dem Zimmer.
    »Du wirst doch mit uns zu Abend essen, nicht wahr?« sagte Melathys, zu Siristru gewandt. »Es wird noch eine Stunde dauern, du brauchst nicht fortzugehen. Wie können wir dich bis dahin unterhalten?«
    »Bitte sorg dich nicht um mich«, antwortete Siristru erfreut, wieder in der Gesellschaft dieser reizenden Frau zu sein, die er persönlich als zu gut für ihren Mann betrachtete, sosehr diesem auch der Handel am Herzen lag. »Ich muß meinen Brief an den König von Zakalon zu Ende schreiben. Da
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