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Die geheime Mission des Nostradamus

Titel: Die geheime Mission des Nostradamus
Autoren: Judith Merkle Riley
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Prolog
    D as hier ist die Stelle«, flüsterte die Königin von Frankreich auf italienisch. Sie deutete auf eine fast unsichtbare Ritze im Fußboden des vergoldeten Raumes. Der flackernde Schein einer einzigen Kerze warf verzerrte Schatten an die Wände. Die sommerliche Nachtluft war drückend heiß. Die Steinsäle und leeren Kamine des Sommets rochen nach Urin und Feuchtigkeit, Schimmel und Sommerfieber. Der Hof verweilte schon zu lange in Saint-Germain, daher die üblen Gerüche in den Zimmern des Palastes. In ein, zwei Monaten würde der König den Umzug in ein luftigeres Schloß befehlen. Eines, in dem das Wild im Park noch nicht durch zweimal wöchentliches Jagen knapp geworden war. »Ich habe den Tischler zwei unsichtbare Löcher in den Fußboden sägen lassen«, wisperte die Königin. »Dieser Raum liegt über ihrem Schlafzimmer. Heute abend werden wir erfahren, mit welchem Hexenzauber diese alte Frau mir die Liebe meines Gemahls stiehlt.«
    »Sie ist zwanzig Jahre älter als Ihr beide. Wenn Ihr eine Jüngere, Schönere und Euch Ergebene fändet, könntet Ihr ihre Macht gewiß brechen und…«, antwortete die dame d'honneur der Königin ebenfalls im Flüsterton und in der Sprache Katharinas von Medici, die in den Gemächern der altehrwürdigen Festung klang wie das Zischeln fremdländischer Verschwörer.
    »Meint Ihr, ich hätte es nicht versucht? Ein kurzer Augenblick, und er ist wieder bei ihr, stellt sich mit der steinalten Hure überall zur Schau und versteckt mich, als ob ich die Mätresse wäre. Ich will ihren Einfluß auf ihn für immer brechen. Sie muß mir weichen.«
    »Madame, Ihr seid die Königin…«
    »Und es darf nie herauskommen, daß ich dabei die Hand im Spiel hatte. Solange er sie liebt, wird er sich an mir rächen, falls ihr etwas zustößt. Aber wenn er sie nicht mehr liebt…«
    »Also müßt Ihr herausfinden, welchen Hexenzaubers sie sich bedient.« Ihre Begleiterin nickte zustimmend.
    »Genau.« Katharina von Medici, Königin von Frankreich, in deren Augen ein lange und tief verborgener Groll schwelte, faßte nach dem Zaubermedaillon an ihrem Hals, das aus menschlichem Blut gegossen war. »Sie hat einen mächtigen Hexer gefunden. Aber wo? Nur die Ruggieri besitzen solche Macht, und die gehören mir. Falls Cosmo mich verraten hat, dann bei Gott…«
    »Gewiß nicht, Majestät. Es gibt noch andere Zauberer im Königreich. Cosmo Ruggieri ist mit uns aus Florenz gekommen. Sein Vater hat Eurem Vater gedient. Diese Person würde sich kaum an einen Untergebenen wenden, oder? Er könnte sie verraten.«
    »Oder auch nicht. Man sollte die Verschlagenheit der Ruggieri nicht unterschätzen. Sie sind so hinterhältig wie eine Schlangenbrut… Oh, wie ich sie kenne. Ich werde ihren Zauber ausfindig machen, und Cosmo muß ihn brechen. Die Zeit ist reif: Ich habe lange genug im Schatten dieser alten Frau gestanden. Sie macht mein ganzes Glück zu Staub.«
    »Gewiß kann es nur der Ring sein, Majestät«, raunte Lucrèce Cavalcanti, Madame d'Elbène. »Der ganze Hof tuschelt darüber, daß er aus dem Blut eines ungetauften Kindes gegossen wurde. Es ist der Ring, der ihn versklavt. Heute abend werdet Ihr sehen, daß es sich so verhält.« Sie beugte sich vor und hielt die Kerze dichter an die Stelle, während sich Katharina von Medici hinkniete und nach dem Verschluß tastete, mit dem man die Diele lösen konnte. »Löscht die Kerze«, flüsterte die Königin ihrer Hofdame zu. »Sie könnte uns verraten.« Nichts als ein matter Sternenschimmer erhellte den Raum, während die beiden Frauen auf dem Fußboden lagen und in das hell erleuchtete Schlafzimmer unter sich spähten.
    Die Mätresse des Königs lag nackt auf dem Bett mit dem Baldachin und den schweren Vorhängen, hatte die Arme unter den Kopf gelegt und ihr ergrauendes Haar auf einem Berg reich bestickter Seidenkissen ausgebreitet. Ihr blasser Körper bildete einen starken Gegensatz zum dunklen Grün der samtenen Tagesdecke. Ihre schwarzen Augen funkelten im Kerzenschein, und ihre schmalen, geschminkten Lippen lächelten triumphierend, als der König, ein kräftiger, schwarzhaariger Mann, zwanzig Jahre jünger als sie, seine robe de chambre abwarf. Fast hatte es den Anschein, als ob sie wüßte, daß es an diesem Abend Augenzeugen ihrer Macht gab.
    Diana von Poitiers' Gesicht war nicht mehr jung und voll winziger Fältchen. Doch die beiden Beobachterinnen mußten einen erstaunten Ausruf unterdrücken, als sie den Körper der Älteren erblickten. Er
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