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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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rettete sie.‹« Siristru hatte ein ausgezeichnetes phonetisches Gedächtnis.
    Erstaunt klatschte sie in die Hände. »Aber das ist ja Deelguy, was du da sprichst! Wo hast du das gehört?«
    »Die Fährleute sangen es heute morgen auf dem Floß.«
    »Die Deelguyer? Wirklich?«
    »Ja. Aber wer ist Shardik?«
    Sie stellte sich ihm genau gegenüber und breitete die Arme aus.
    »Das ist Shardik.«
    Siristru war ein wenig verlegen, blickte aber das Kleid genau an. Die Handarbeit war gewiß etwas Besonderes. Der riesige, rotäugige Bär stand, gewellt wie eine Flamme, mit gebleckten Zähnen vor einem mit einem Bogen bewaffneten Mann, während sich dahinter eine Gruppe zerlumpter Kinder auf einem anscheinend mit Bäumen bewachsenen Flußufer zusammengekauert hatte. Es war gewiß eine grausame Szene, für deren Sinn es aber keinen Hinweis gab. Tieranbetung? Vielleicht Menschenopfer? Er fürchtete, vielleicht in allzu tiefes Wasser zu geraten, und seine Beherrschung der Sprache war noch immer mangelhaft. Man mußte um jeden Preis vermeiden, die Gefühle dieser stolzen jungen Frau zu verletzen, die wahrscheinlich großen Einfluß bei ihrem Mann besaß.
    »Ich hoffe, noch mehr über ihn zu erfahren«, sagte er schließlich. »Das ist zweifellos ein herrliches Kleid – wunderschöne Handarbeit. Wurde es in Bekla gemacht? Oder hier in der Umgebung?«
    Sie lachte wieder. »Sicher hier. Der Stoff kam aus Yelda, aber meine Frauen und ich haben es hier im Hause bestickt. Es dauerte ein halbes Jahr.«
    »Eine herrliche Arbeit – wunderbar! Ist es – äh – geweiht?«
    »Nein, nicht geweiht, aber ich bewahre es für – nun, für wichtige Anlässe auf. Ich habe es, wie du siehst, für dich angezogen.«
    »Das ehrt mich, und – und das Kleid verdient die Dame. Nun ja – in einer Sprache, die ich erst seit zwei Monaten lerne!« Siristru hatte Spaß daran.
    Sie sagte nichts, ihre einzige Antwort war ein scharfer, strahlender und lustiger Blick, wie der eines Sperlings. Er verspürte einen plötzlichen Stich. Verletzt oder nicht – der Statthalter war jünger als er.
    »Solche Kleider – natürlich nicht so prächtig wie deines, aber in dieser Art –, meinst du, daß man sie in mein Land liefern könnte?«
    Nun neckte sie ihn, rieb sich die Hände und verneigte sich unterwürfig wie ein schmieriger alter Händler, der einem reichen Kunden schmeichelt.
    »Ja gewiß, werter Herr, ganz ohne Zweifel. Mit größter Freude. Wie viele wünschst du?« Dann ernsthaft: »Diesbezüglich wirst du meinen Mann fragen müssen. Du wirst feststellen, daß du mit ihm durchaus fachmännisch über alles sprechen kannst, was von Ortelga oder Ikat erzeugt oder verkauft wird. Er hat eine leidenschaftliche Liebe für den Handel, er hält sehr viel davon – er nennt ihn das Blut, das im Körper der Welt zirkuliert; er hat noch viele andere Bezeichnungen dafür – besonders wenn er diesen Yeldashayer Wein trinkt. Darf ich dir noch einschenken?« Sie ergriff wieder den Krug. »Wie lautet der Name deiner Heimat?«
    »Zakalon. Ein sehr schönes Land – Städte voll mit Blumengärten. Hoffentlich wirst du es einmal besuchen, wenn du deinen Widerwillen gegen die Überquerung der Engstelle im Fluß überwinden kannst.«
    »Vielleicht. Ich bin ja noch sehr wenig gereist. Ich war noch nicht einmal in Bekla, ganz zu schweigen von Ikat-Yeldashay.«
    »Ein Grund mehr, um als erste Frau nach Zakalon zu reisen. Komm und mache unsere Damen eifersüchtig. Wenn du Feiern gerne magst, mußt du zum großen – äh – Hochsommerfest kommen, wenn das so richtig ausgedrückt ist.«
    »Ja, das ist richtig. Bravo! Nun, vielleicht – vielleicht. Sag mir, Herr-«
    »Siristru – Saiyett.« Er lächelte. Soeben war ihm ›Saiyett‹ eingefallen.
    »Sage mir, U-Siristru, gedenkst du, einige Tage hierzubleiben, oder willst du gleich weiter nach Kabin?«
    »Nun, das entscheidet eigentlich der Statthalter. Vorerst aber muß ich natürlich meine Leute und auch die Pferde herüberbringen aus – aus – Belda-Brazet – «
    »Bel – ka – Trazet.«
    » – aus Bel-ka-Trazet. Auch bin ich selbst nach der Reise gesundheitlich nicht in bester Verfassung. Ich glaube, es wird einige Tage dauern, ehe wir zur Abreise nach Kabin bereit sind. Die Wildnis und die Wüste waren sehr anstrengend, und die Männer brauchen Ruhe und vielleicht ein wenig – ich kenne das Wort nicht – weißt du, Spiel, Trinken – «
    »Zerstreuung?«
    »Das ist es. Zerstreuung. Ich will es mir
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