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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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seinen linken Arm steif, als leide er an einer alten Wunde. Wie mochte seine Vergangenheit gewesen sein, und wie war er Statthalter von Zeray geworden? Er schien kein grober Kerl zu sein, der sich die Taschen füllte, und auch kein zielbewußter Streber. Ein Idealist? Der einzige Mann, der zur Übernahme des Postens bereit gewesen war? Nun ja, dachte Siristru, man wußte ohnehin nichts über das ganze Land, und der Mann war, wie immer seine Vergangenheit sein mochte, für das Netz, das auszubreiten ihn König Luin ausgesandt hatte, ein zu kleiner Fisch. Es würde später andere geben, die wichtiger waren, wenn auch der Eindruck, den er hier machte, ihm ins Inland vorauseilen würde.
    Sie betraten einen einfachen, sauberen Raum mit Steinboden und Binsenbelag, in dem ein blasses, in der Nachmittagssonne matt wirkendes Feuer brannte. Vorsichtig und wieder lächelnd hob der Statthalter den Kranz von Siristrus Schultern und legte ihn neben sich auf den Tisch; er war nicht sehr fest gewunden und begann sich bereits aufzulösen.
    »Einige eurer Kinder aus der Stadt kamen zu mir und schenkten ihn mir auf dem Weg hierher«, sagte Siristru.
    »Wirklich – weißt du zufällig, welche Kinder es waren?« fragte der Statthalter.
    »Es war Klein-Vasa, Herr«, sagte eine Mädchenstimme. »Ankray sagte es mir, und einige ihrer ortelganischen Freunde. Soll ich den Wein nun eingießen?«
    Eine junge Frau war mit Silberbechern und einem Krug auf einem Tablett eingetreten. Als sie die Dinge hinstellte, wandte sie sich Siristru zu, hob die Hand an ihre Stirn, und er merkte mit einem plötzlichen mitleidigen Schauer, daß sie nicht ganz richtig im Kopf war. Ihre großen, lächelnden Augen begegneten seinem Blick mit einer bestürzenden Offenheit – unpassend für eine Dienerin, unpassend auch für eine Frau, und wandten sich mit dem gleichen Ausdruck zuerst einem Schmetterling zu, der an der sonnigen Wand seine Flügel ausbreitete, und dann dem Statthalter, der liebevoll ihre beiden Hände ergriff.
    »Ach, war es Vasa? Dann hatte der Fürst Glück, nicht wahr? Danke, Zilthe, ja, gieß bitte gleich den Wein ein. Aber ich muß mich noch für eine Weile entschuldigen – ich werde mich zuerst waschen und umkleiden. Ich darf doch deinen Besuch nicht entehren, weißt du«, sagte er, zu Siristru gewandt. »Deine Ankunft in Zeray ist für uns alle von größter Wichtigkeit – eigentlich für das ganze Land. Ich habe bereits einen Boten mit der Nachricht nach Kabin geschickt. Willst du mich für kurze Zeit entschuldigen? Wie du siehst« – er breitete die Hände aus –, »bin ich nicht in der Verfassung, dich zu empfangen, aber meine Frau wird sich um dich kümmern, bis ich zurückkomme. Sie wird gleich hier sein. Inzwischen hoffe ich, daß dir dieser Wein munden wird. Es ist einer unserer besten, wenn ihr auch wahrscheinlich in deiner Heimat bessere habt. Er kommt aus Yelda, im Süden.«
    Er verließ den Raum, und Zilthe machte sich daran, das Feuer zu schüren und den Herd zu fegen. Siristru stand im Sonnenschein, er roch noch immer den scharfen Blütenduft der Planella in dem Kranz und hörte einen Augenblick in der Ferne den interessanten Ruf eines unbekannten Vogels – zwei Pfeiftöne, gefolgt von einem Triller, der plötzlich abbrach. Es war gewiß ein erstaunlich guter Wein, so gut wie nur irgendeiner in Zakalon; zweifellos würde König Luin über ein Handelsabkommen, in dem eine Sendung davon inbegriffen war, entzückt sein. Das mußte er sich merken. Er blickte rasch auf, als eine zweite junge Frau eintrat.
    Siristru hatte, ob er nun im mittleren Alter stand oder nicht, einen Blick für Frauen, und diese verdiente wirklich sein Augenmerk. Bei ihrem Eintritt fiel ihm nur die erstaunliche Anmut ihrer Bewegungen auf – eine Art elegantes, fast zeremonielles Schreiten, das Ruhe und Selbstbeherrschung ausdrückte. Als sie dann näher kam, sah er, daß sie zwar nicht mehr in der ersten Jugendblüte stand, aber auffallend schön war; sie hatte große, dunkle Augen, und ihr lose zusammengefaßtes Haar fiel ihr über die eine Schulter. Auf die Vorderseite ihres dunkelroten, futteralartigen Kleides war von den Schultern bis zu den Knöcheln auf einen sorgfältig gearbeiteten Bildhintergrund mit Bäumen und Wasser die drohend aufgerichtete Gestalt eines Bären in Gold- und Silberfäden gestickt. Die in kraftvollem, fast barbarischem Stil gehaltene Zeichnung war in Farbe und Ausarbeitung so interessant, daß Siristru einen Moment lang beinahe
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