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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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ich Angst hatte und noch immer Angst habe.« Er brach ab, doch dann rief er plötzlich: »Wer kann Gott belügen?…«
    Bel-ka-Trazet belauerte ihn wie eine Eidechse eine Fliege.
    »Zelda!« rief er plötzlich. Der Baron kam wieder herein.
    »Führe diesen Mann hinaus, lege seinen Arm in eine Schlinge und gib ihm zu essen. Bring ihn in einer halben Stunde wieder zu mir – und dann, Kelderek« – er stieß seinen Dolch in die auf den Deckel der neben ihm stehenden Truhe gemalte goldene Schlange –, »wirst du mir, das schwöre ich bei diesem Dolch, erzählen, was du weißt!«
    Über das Unvorhersehbare im Umgang mit Bel-ka-Trazet erzählte man sich so manche Geschichten. Von Zeldas Hand unter der Schulter gestützt, stolperte Kelderek in das Sindrad hinaus und setzte sich geduckt auf eine Bank; die Diener brachten ihm Essen und eine Lederschlinge.
    Als er dann wieder vor Bel-ka-Trazet stand, war es Nacht geworden. Im Sindrad draußen war es still, denn mit Ausnahme von zwei Baronen waren alle nach Hause gegangen. Zelda saß im Feuerschein und sah die Befiederung einiger Pfeile durch, die der Pfeilmacher gebracht hatte. Fassel-Hasta kauerte auf einer anderen Bank am Tisch und schrieb beim Licht einer rauchenden Steingutlampe langsam mit einem Tintenpinsel auf eine Rinde. Auch auf Bel-ka-Trazets Truhendeckel brannte eine Lampe. Im Dunkel dahinter flogen zwei schimmernde Glühwürmchen durch den Raum. Man hatte einen Vorhang aus Holzperlen über den Eingang fallen lassen, und die stießen dann und wann leise in der nächtlichen Brise aneinander.
    Die Verzerrung von Bel-ka-Trazets Gesicht wirkte wie ein Gaukelbild des Lampenlichts, die Züge schrecklich wie vom Teufel in einem Maskenspiel, die Nase schien sich in einer einzigen, ungebrochenen Linie bis zum Hals hinzuziehen, die Schatten unterhalb des Kinns pulsierten leise und rhythmisch wie die Kehle einer Kröte. Und es war tatsächlich ein Spiel, in dem sie nun agieren sollten, dachte Kelderek, denn es entsprach nichts von alldem, was er im Leben gekannt hatte. Ein einfacher Mann, der nur nach seinem Lebensunterhalt, nicht nach Reichtum oder Macht strebt, war rätselhafterweise auserlesen und zum Werkzeug gemacht worden, um Bel-ka-Trazets Willen zu durchkreuzen.
    »Nun, Kelderek«, sagte der Großbaron, mit einer leichten Betonung des Namens, in der eine gewisse Verachtung lag, »während du dir den Bauch vollschlugst, habe ich über dich so viel erfahren, wie man über einen solchen Mann zu wissen braucht – das heißt alles, ausgenommen, was du mir nun erzählen wirst, Kelderek Zenzuata. Weißt du, daß man dich so nennt?«
    »Ja, Herr.«
    »Kelderek, der Kinderspielfreund. Ein alleinstehender junger Mann, der anscheinend keine Neigung für Schenken hat und Mädchen gegenüber von unnatürlicher Gleichgültigkeit ist, aber dennoch bekannt als geschickter Jäger, der oft Wild und Raritäten für die Kaufleute heimbringt, die mit Gelt und Bekla Handel treiben.«
    »Wenn ihr so viel gehört habt, Herr…«
    »Deshalb ist ihm gestattet, nach Belieben allein zu gehen und zu kommen, ohne daß man ihm Fragen stellt. Manchmal bleibt er mehrere Tage hintereinander fort, nicht wahr?«
    »Das ist notwendig, Herr, wenn das Wild…«
    »Warum spielst du mit den Kindern? Ein junger, unverheirateter Mann – was ist das für ein Unsinn?«
    Kelderek überlegte.
    »Kinder brauchen oft Freunde«, sagte er. »Manche der Kinder, mit denen ich spiele, sind unglücklich. Manche sind elternlos – ihre Eltern haben sie verlassen…«
    Er brach verlegen ab und begegnete dem Blick Bel-ka-Trazets, dessen verzerrtes Auge ihn über dem Hautwulst anstarrte. Nach einer Weile murmelte er unsicher: »Die Flammen Gottes…«
    »Was? Was hast du gesagt?«
    »Die Flammen Gottes, Herr. Kinder – ihre Augen und Ohren sind offen – sie sprechen die Wahrheit…«
    »Das wirst auch du tun, Kelderek, bevor ich mit dir fertig bin. Man hält dich also für einen einfältigen Burschen, vielleicht schwach im Kopf, dem Trunk und Weibern abhold, der mit Kindern spielt und gern von Gott redet; denn einen solchen Mann würde niemand verdächtigen, nicht wahr, daß er spioniert, daß er ein Verräter ist, Botschaften befördert oder bei seinen einsamen Jagdausflügen mit den Feinden Umgang hat…«
    »Herr…«
    »Bis er eines Tages verwundet und fast mit leeren Händen heimkommt von einem Ort, der angeblich voller Wild ist, zu verwirrt, um sich eine Geschichte ausgedacht zu haben…«
    »O Herr!« Der Jäger
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