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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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gerutscht, halb bedeckt von einem großen Fleischwulst, der von der Nasenwurzel zum Hals lief. Das Kinn war nach rechts verzerrt, so daß die Lippen schief aufeinanderlagen; über das Kinn lief eine bläuliche, hammerähnliche Narbe. Was es in dieser schrecklichen Maske an Ausdruck gab, wirkte sarkastisch, durchdringend, stolz und uninteressiert – es war das Antlitz eines unzerstörbaren Mannes, eines Mannes, der Verrat, Belagerung, Wüste und Überschwemmung überlebt hatte.
    Der Großbaron saß auf einem runden, trommelartigen Schemel und starrte auf den Jäger. Er trug trotz der Hitze einen schweren Pelzumhang, der mit einer Messingkette am Hals befestigt war, so daß sein gespenstischer Kopf aussah, als wäre er von einem Feind abgeschlagen und auf der Spitze eines schwarzen Zeltes befestigt worden. Es herrschte eine Weile Stille – eine Stille, die voll Spannung war wie eine Bogensaite. Dann sagte Bel-ka-Trazet: »Wie heißt du?«
    Auch seine Stimme war verzerrt; sie war rauh und leise, mit einem merkwürdigen Klang, wie wenn ein Stein über eine Eisfläche hüpft.
    »Kelderek, Herr.«
    »Warum bist du hier?«
    »Der Shendron vom Zoanbaum hat mich geschickt.«
    »Das weiß ich. Weshalb hat er dich geschickt?«
    »Weil ich es nicht für richtig hielt, ihm zu erzählen, was mir heute zugestoßen ist.«
    »Warum vergeudet dein Shendron meine Zeit?« sagte Bel-ka-Trazet zu Taphro. »Konnte er den Mann nicht zum Sprechen bringen? Willst du behaupten, daß er euch beiden trotzte?«
    »Er – der Jäger – dieser Mann, Herr«, stammelte Taphro. »Er sagte, er würde es uns nicht erzählen. Der Shendron fragte ihn über – über seine Verwundung aus. Er antwortete, ein Leopard habe ihn verfolgt, aber mehr wollte er uns nicht sagen. Als wir es wissen wollten, erklärte er, er könne uns nichts sagen.«
    Es entstand eine Pause.
    »Er weigert sich, Herr«, fuhr Taphro fort. »Wir sagten ihm…«
    »Schweig!«
    Bel-ka-Trazet verstummte, runzelte die Stirn und drückte mit zwei Fingern auf den Wulst unter seinem Auge. Schließlich blickte er auf.
    »Du bist ein ungeschickter Lügner, scheint mir, Kelderek. Warum machst du dir die Mühe, von einem Leoparden zu reden? Weshalb sagst du nicht, daß du von einem Baum gestürzt bist?«
    »Ich habe die Wahrheit gesagt, Herr. Es war ein Leopard dort.«
    »Und diese Verletzung«, fuhr Bel-ka-Trazet fort, streckte die Hand aus, erfaßte Keldereks linkes Handgelenk und bewegte dessen Arm ein wenig, wobei er andeutete, daß er beträchtlich stärker daran ziehen könnte, wenn er wollte, »diese geringfügige Verletzung. Vielleicht wurde sie dir von jemandem zugefügt, der enttäuscht war, daß du ihm keine bessere Nachricht brachtest? Vielleicht hast du zu ihm gesagt: ›Die Shendrons sind wachsam, sie zu überraschen wäre schwierig‹, und das hat ihm mißfallen?«
    »Nein, Herr.«
    »Nun, wir werden sehen. Es war also ein Leopard dort, und du bist gestürzt. Was geschah dann?«
    Kelderek schwieg.
    »Ist dieser Mann schwachsinnig?« fragte Bel-ka-Trazet, zu Zelda gewandt.
    »Nun, Herr«, antwortete Zelda, »ich weiß nicht viel von ihm, aber ich glaube, er gilt als einfältig. Man lacht über ihn – er spielt mit den Kindern…«
    »Was tut er?«
    »Er spricht mit Kindern, Herr, am Strand.«
    »Was sonst?«
    »Sonst lebt er zurückgezogen, das tun Jäger oft. Er wohnt allein und fügt keinem Schaden zu, soviel ich weiß. Sein Vater hatte Jägerrechte, durfte nach Belieben kommen und gehen, und diese Rechte wurden ihm als Erbe zuerkannt. Wenn Ihr wünscht, werden wir uns genauer über ihn erkundigen.«
    »Tu das«, sagte Bel-ka-Trazet, und dann zu Taphro: »Du kannst gehen.«
    Taphro legte blitzschnell die Hand an seine Stirn, und schon war er verschwunden wie eine Kerzenflamme im Wind. Zelda folgte ihm mit mehr Würde.
    »Nun, Kelderek«, sagte der verzerrte Mund langsam, »du sagst, du seist ein ehrlicher Mann, und wir sind allein, es hindert dich also nichts, mir deine Geschichte zu erzählen.«
    Auf Keldereks Stirn brach der Schweiß aus. Er versuchte zu sprechen, brachte jedoch kein Wort hervor.
    »Warum hast du dem Shendron ein paar Worte gesagt und dich geweigert weiterzusprechen?« fragte der Großbaron. »Was war das für ein Unsinn? Ein Gauner sollte wissen, wie er seine Spuren verwischt. Wenn du etwas verbergen wolltest, warum hast du nicht eine Geschichte erfunden, die den Shendron überzeugt hätte?«
    »Weil – weil die Wahrheit – «, der Jäger zögerte. »Weil
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