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Shardik

Titel: Shardik
Autoren: Richard Adams
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sank in die Knie.
    »Hast du bei dem Mann Mißfallen erregt, Kelderek, ist das der Grund? Ein Räuber aus der Deelguy-Wüste vielleicht oder ein schmieriger Sklavenhändler aus dem Terekenalt, der darauf aus ist, durch die Beförderung von Botschaften auf seinen dreckigen Reisen ein wenig Taschengeld zu verdienen? Vielleicht mißfiel deine Meldung, oder war die Bezahlung ungenügend?«
    »Nein, Herr, nein!«
    »Steh auf!«
    Die Holzperlen schlugen in einem Windstoß aneinander, der die Lampenflamme niederdrückte, so daß die Schatten über die Wand huschten wie erschreckte Fische in einem tiefen Teich. Der Großbaron schwieg und sammelte sich mit dem Gebaren eines Mannes, dem ein Hindernis begegnet, der jedoch entschlossen ist, es auf die eine oder andere Weise zu überwinden. Als er wieder sprach, war sein Ton ruhiger.
    »Also, soweit ich es beurteilen kann, Kelderek, magst du ein ehrlicher Mann sein, wenn auch ein großer Narr mit deinem Gerede von Kindern und von Gott. Hättest du nicht einen einzigen Freund herbeirufen können, der deine Ehrlichkeit bezeugt?«
    »Herr…«
    »Nein, du konntest es nicht, scheint mir, oder es ist dir gar nicht eingefallen. Aber wir wollen annehmen, daß du ehrlich bist und daß heute etwas vorfiel, das du aus irgendeinem Grund weder verborgen noch enthüllt hast. Wärst du mit der schlauen Absicht umgegangen, es ganz zu verschweigen, so wärst du, nehme ich an, nicht gezwungen worden hierherzukommen – dann würdest du jetzt nicht hier stehen. Du weißt also zweifellos sehr wohl, daß es etwas ist, das früher oder später ans Licht kommen muß, und daß es daher töricht wäre, es verheimlichen zu wollen.«
    »Ja, Herr, dessen bin ich sicher«, antwortete Kelderek ohne Zögern.
    Bel-ka-Trazet zog sein Messer und begann, die Dolchspitze in der Lampenflamme zu erhitzen, wie einer, der sich müßig damit die Zeit vertreibt, während er auf das Essen oder auf einen Freund wartet.
    »Herr«, sagte Kelderek plötzlich, »wenn ein Mann von der Jagd zurückkäme und zum Shendron oder zu seinen Freunden sagte: ›Ich habe einen Stern gefunden, der vom Himmel auf die Erde gefallen ist‹, wer würde ihm das glauben?«
    Bel-ka-Trazet gab keine Antwort und drehte weiter die Messerspitze in der Flamme.
    »Was aber, o Herr, wenn der Mann wirklich einen Stern gefunden hat? Was sollte er tun und wem sollte er ihn bringen?«
    »Du willst mir Fragen stellen, Kelderek, und dazu in Rätseln? Ich habe für Phantasten und ihre Reden nichts übrig, also nimm dich in acht!«
    Der Großbaron ballte die Faust, doch dann öffnete er sie wieder wie ein Mann, der sich zu Geduld entschlossen hat, und starrte weiter mit skeptischem Blick auf Kelderek.
    »Nun?« sagte er schließlich.
    »Ich fürchte Euch, Herr. Ich fürchte Eure Macht und Euren Zorn. Aber der Stern, den ich fand – der kommt von Gott, und auch den fürchte ich. Ich fürchte ihn noch mehr. Ich weiß, wem das enthüllt werden muß…«, seine Stimme wurde zu einem erstickten Keuchen, »… ich kann es – nur der Tuginda enthüllen!«
    Schon hatte ihn Bel-ka-Trazet an der Kehle gefaßt und ihn zu Boden gezwungen. Der Jäger bog seinen Kopf scharf nach hinten, fort von der nah an sein Gesicht gehaltenen heißen Dolchspitze.
    »Ich werde das tun – ich kann nur jenes tun! Beim Bären, du wirst dir nicht länger aussuchen, was du tun willst, wenn dein Bogenauge ausgestochen ist! Du endest in Zeray, mein Sohn!«
    Keldereks ausgestreckte Hände umklammerten den schwarzen Umhang des über ihn gebeugten Barons, der ihn vom Knie bis zu der verwundeten Schulter rückwärts zu Boden drückte. Er hatte die Augen vor der Hitze des Dolches geschlossen und schien nahe daran, im Griff des Großbarons ohnmächtig zu werden. Als er aber schließlich sprach – Bel-ka-Trazet bückte sich tief zu ihm nieder, um die Worte zu vernehmen –, flüsterte er:
    »Es muß sein, wie Gott will, o Herr. Die Sache ist groß – größer sogar als dein heißer Dolch.«
    Die Perlen im Eingang klickten aneinander. Ohne seinen Griff zu lockern, blickte der Baron über seine Schulter hinter die Lampe ins Dunkel. Zeldas Stimme sagte:
    »Boten von der Tuginda, Herr. Sie will dringend mit Euch sprechen, sagt sie. Ihr sollt noch heute abend nach Quiso kommen.«
    Bel-ka-Trazet holte zischend Atem, richtete sich auf und schüttelte Kelderek ab, der der Länge nach hinfiel und regungslos liegenblieb. Das Messer entglitt der Hand des Großbarons und blieb im Fußboden stecken, wobei es
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