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Sepia

Sepia

Titel: Sepia
Autoren: Helga Schuetz
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flüstert.Das Schicksal, unsres Daseins Herz und Haus,
    Ist beim Unendlichen, und einzig dort;
    Ist bei der Hoffnung, welche niemals stirbt,
    Ist Streben und Erwarten und Verlangen,
    Und immer etwas, das sich sehnt zu sein.
     
    Nach dem Schreck hat Eli das Feuer retten müssen. Mit Juniperus und dürrem Nadelgehölz und Sauerstoff. So hat Siegfried Müller sie endlich gefunden in dem 297,3 Hektar großen Parkgelände, mit ihrer Jacke wedelnd, ein grünes, frech tänzelndes Feuerchen hütend.
    Mensch, Eli, ich war mein Leben noch nie in Sanssouci, das ist ja ein Paradies, Schwäne um diese Jahreszeit und das Schloss und die goldene Pagode, besonders heute in dem feinabgestuften klassizistischen Nebelgrau, einfach sensationell.
    Das ist das Chinesische Teehaus, sagt Eli.
    Ich renne seit Stunden umher, um dich zu finden.
    Siegfried breitet die Arme aus. Eli sinkt in seinen dicken Anorak. Sie birgt ihr verqualmtes Pfefferkuchengesicht.
    Siegfried in Genießerlaune. Eli lächelt, beinahe erlöst, fast überzeugt. Ein Paradies. Wenigstens für einen Augenblick.
    Was ich dir zu sagen habe.
     
    Siegfried hatte noch während der Umarmung, also ohne Drumherum, gesagt, was gesagt werden musste. Die Kommission habe übereinstimmend aus der Eins, die der Dekan hinterlassen hatte, eine gute Vier gemacht.
    Siegfried hatte bedauert und gemeint, man könne ohne weiteres damit leben. Und es sei eine köstliche Zeit gewesen.
    Er hatte nicht nur geredet, sondern auch zugepackt, Holz getragen. Es war schön, es machte Spaß, Eli zu helfen. Man wurde durch das Feuer, die folgsamen Flammen, auf bessere Gedanken gebracht.
    Eli, wo ich jetzt beruflich sitze, vielleicht kann ich von meiner Stelle aus was für dich tun.
    Eli hatte gelächelt und die Achseln gezuckt.
    Wenn du mal in deinem Amt was von Ludwig hörst.
    Siegfried hatte genickt. Klar, dann melde ich mich. Oder du meldest dich. Wir können wieder mal Pfannkuchen essen.
     
    Das Feuer war noch einmal richtig zum Zuge gekommen und hatte bis Feierabend sämtliches Sturmholz und auch den Trocken- und Verjüngungsschnitt gefressen. Eli musste nur noch mit Sand die Glut auslöschen. Gepäckträger und Rucksack, beladen mit Scheiten, so radelte sie an den
Charlott-Lichtspielen
vorbei und am
Kino Obelisk
, am
Melodie
und an den früheren
Parklichtspielen
, wo überall die Plakate hingen:
Nackt unter Wölfen
, es war dunkel in den Straßen. In den Häusern brannte Licht. Foto-Schlick hatte seinen Laden noch geöffnet. Im Schaufenster stand sein Schild. Bin in der Dunkelkammer, bitte klopfen.
     
    Man kann damit leben. Alle trösten, wie Siegfried, wie Simon und Helga, mit denen Eli inzwischen freundschaftlich über die Bad- und die Küchenbenutzung hinaus in Beziehung steht. Kopf hoch, Rafaela Reich. Wir möchten dich gerne am Sonntag zum Gänsebraten einladen.
    Die Frau in der Verwaltung von Sanssouci tröstet. Sonst gerne, wir hätten Ihnen gerne einen festen Arbeitsvertrag gegeben, aber Sie haben doch leider immerhin ein Diplom und sind damit für andere Sachen qualifiziert. Wissen Sie was, gehen Sie zu unserem Winterdienst, der darf Sie nehmen, da sind Sie auf Abruf Saisonkraft, vielleicht gibt’s einen strengen Winter mit viel Schneefall und Glätte. Glatteis bringt ganz bestimmt Nachteinsätze mit Zuschlag. Alles Gute, Fräulein Reich. Viel Glück. Sonst gerne.
    Der bastelnde Jürgen und seine Kostüm-Freundin trösten. Vor allen Dingen musst du dich im Stadthaus bei der Versicherung anmelden. Du hast doch hoffentlich noch dein altes Buch vom Gartenbau, so was wirft man nicht weg, das hebt man auf. Das ist wichtig für die Rente.
     
    Die Mitbewohnerin Helga in der Ernst-Thälmann-Straße besetzt die Küche, die Bratröhre im Gasherd. Sie hat noch nie eine Gans gebraten. Sie hält sich an ein Rezept von Vico Torriani aus einer Fernsehsendung im neuen Fernsehapparat, einem Kasten, den Simon und Helga mit einem geliehenen Umzugsauto direkt vom Werk aus Radeburg abgeholt haben. Nun kampieren sie jeden Abend auf dem chinesischen Teppich und gucken fern. Torriani war in einer bunten Adventsendung aufgetreten und hatte das Rezept mit seiner schönen italienischen Stimme auf Deutsch gesungen. Ente in Curaçao. Statt Ente hatte Helga eine gefrorene ungarische Gans gekauft. Sie hatte den Unterschied an dem festgefrorenen Fleisch in der Kühltruhe gar nicht gesehen. Gans oder Ente – egal. Statt Curaçao hatte sie Himbeerlikör genommen, nehmen müssen, im Russenmagazin in der Jägerallee
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