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Sepia

Sepia

Titel: Sepia
Autoren: Helga Schuetz
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Theaterstück von Ludwig Zweig mit einer handschriftlichen Anmerkung: Sehr gut. Handelt vom Abgrund.
    Das Plakat mit den Sonnenblumen lässt der Hausmeister hängen. Der betende Knabe steht auf der Inventarliste mit Doppelnummer alt und neu, der bleibt in der Nische. Das Feuerzeug steckt der Hausmeister ein, das andere, den dünnen Schnellhefter mit der Aufschrift Freiberg, trägt er nicht hinüber ins Haupthaus, sondern hinunter in den Keller, wo er neben dem Bibliotheksarchiv einen Raum eingerichtet hat für Material, Fahnen, Besen, hier steht eine Kiste aus stabilen Brettern mit einem stabilen Steckschloss, den Schlüssel trägt der Hausmeister immer am Mann. Es ist seine Kiste für seine persönlichen Sachen.
     
    Das Feuer ist gut genährt, es lodert mit drei Feuerzungen. Eli schleift Juniperusholz herbei, Juniperus brennt sofort, das Holz muss nicht trocken sein, es macht grünes Feuer.
    Der Reviergärtner hat wie immer nicht viel erklärt. Er lässt Eli freie Hand, das Zeug muss weg, es stört die Sichtachse zumTeehaus, bis zum Wochenende hast du Zeit, das schaffst du doch oder brauchst du Hilfe?
    Nadelfeine Funken flitzen spitz durch die kahle Buchenkrone gegen den Himmel. Langsam, seidenleicht schneit die Asche herab. Es ist fast windstill, die beste Zeit für eine Zündelei.
    Hilfe wäre nicht schlecht. Eli rennt hin und her, schuftet mit Axt oder Fuchsschwanz, bricht die Knüppel über dem Knie. Es ist ihr Feuer, man muss es füttern und hüten.
    Elis Fahrrad steht in der Nähe. Auf dem Gepäckträger klemmen brauchbare Scheite für den blauen Kachelofen, den Geliebten, den man bei seiner Tugend umarmen und küssen kann. Wange an Kachel.
    Soldaten von der Roten Armee mit Stern an der Wintermütze umringen die Flammen.
    Eli wartet, dann wirft sie wieder ein Bündel auf die Glut, beherztes Knistern, grünes Lodern. Die Soldatengesichter leuchten rot. Elis Ohren glühen. Feuer bedeutet Herd und Krieg.
    Die Soldaten ziehen weiter durch Sanssouci, schwenken ihre kleinen braunen Koffer und frieren. Typisch, wie im Bilderbuch. Typische Typen unter typischen Umständen. Russen mit Köfferchen in Sanssouci. In den Herbst- und Wintermonaten feiern sie mit solchen Spaziermärschen die Revolution und dann im Frühjahr, ab Mai, den Großen Vaterländischen Krieg. In die Baumrinde geschnitzt kyrillische Buchstaben, die nun schon hochgewachsen und aufgeplatzt sind. Damals, nach fünfundvierzig, haben sie sich das gewagt, die Sieger, mit dem Taschenmesser, mit dem Dolch. Kerben. Monogramme, Herzen.
    Juniperusrauch riecht wie Pfefferkuchen, und so roch es wahrscheinlich in den alten Tempeln und Burgen. Märchenhaft, Eli schnuppert und tanzt um die Flammen wie eine Feuerhexe.
    Quer über die Wiese torkelt Kuddi herbei. Er ist nicht betrunken.Es ist seine Art, zu gehen. Man muss leise mit ihm reden, sonst torkelt er zum Depot zurück und beschwert sich. Eli hat mich gehauen.
    Weil Kuddi woanders nicht bleiben wollte, hat der Meister den Lümmel als Helfer zu Eli geschickt.
    Schießt sie nieder! Kuddi spielt mit einem Knüppel, Abzug, zielen, schießen. Er ballert Richtung Eli, dann Richtung Hauptweg, wo der Köfferchentrupp verweilt und marschiert.
    Eli flüstert: Kuddi, hör auf, gib mir den Stock, das macht man nicht. Hast du mich verstanden: Das macht man nicht. Das gehört sich nicht.
    Die sind böse.
    Das stimmt doch gar nicht.
    Das stimmt, die sind böse.
    Die Soldaten schreiten mit ernster Miene den Weg entlang. Man hört eine Trillerpfeife.
    Die tun mir leid, sagt Eli.
    Böse. Kuddi wirft den Knüppel ins Feuer. Er ballt die Fäuste.
    Kuddi, du holst jetzt die Äste ran, und ich lege auf. Eli zupft ihn am Ärmel, Kuddi ist groß und stark wie eine Lokomotive, wenn er vor Eli steht. Kuddi, ich lege das Holz auf, sonst passiert was, weil hier rundherum Bäume stehen, alte trockene Koniferen, Kuddi, bitte nicht so viel auf einmal, das Feuer wird sonst riesengroß, das frisst die Bäume, und schon kommt der Wind, dann ist nichts mehr zu retten. Sanssouci brennt. Kuddi, bitte, ich habe Angst. Ich lege auf. Du holst ran. Immer langsam, nicht so viel. Nicht so viel. Du holst langsam ran.
    Richtig angebrüllt hat Eli ihren Helfer nicht, aber unbeherrscht laut gesprochen. Ich lege auf.
    Darauf hat Kuddi das ganze trockene Holz ins Feuer geworfen, er hat Elis Schreck nicht gesehen, nicht die flott züngelnden Flammen. Er hat sich sofort auf den Weg gemacht, torkelnd, klagend, Richtung Depot. Schießt sie nieder. Eli
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